Die Kampfhandlungen zum Kriegsende 1945 aus der Sicht von Zeitzeugen (gesammelte Berichte von Alfred Wegewitz

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16.4.1945

Wehrmachtsbericht des OKW vom 16.4.1945 (Auszug)

Nach vergeblichen Vorstößen am gestrigen Tage traten die Bolschewisten in den heutigen Morgenstunden zwischen der Neißemündung und dem Oderbruch nach heftigem Trommelfeuer mit starken Infanterie-Panzer- und Luftwaffenkräften zum Großangriff an. Erbitterte Kämpfe sind an der ganzen Front im Gange


Lagebuch des OKW vom 16.4.1945 (Auszug)

Heeresgruppe Weichsel: Ferner trat der Feind zum Großangriff an der Oder an. 3.50-6.30 Artl. Feuer und Bomben, dann Antreten des Gegners , und zwar südlich und nördlich Frankfurt, wo er mehrere Kilometer vorankam, zweitens an der Straße Küstrin-Berlin , wo er bis zur Höhenstufe gelangte (dagegen die Div. Kurmark), drittens nördlich davon mit Stoßrichtung nach Südwesten.


1. Mitteilung Christel Radtke :

Frau Radtke ist Fürstenwalderin, Jahrgang 1928. wohnhaft Bettina v.Arnim Str. Pers.Mitteilung an Verf.

Ich bin am 15.April 1945 von meinem Dienst beim weiblichen Arbeitsdienst, den ich in der Nähe von Schwerin ableistete, entlassen worden und nach Fürstenwalde zurückgekehrt. In der Nacht zum 16.April begann das Trommelfeuer im Norden , Richtung Oderbruch. Ich wohnte damals in der Nordstraße in einem mehrstöckigen Haus. Wegen der Tieffliegerangriffe und der Explosion des Munitionszuges hielt ich mich u.a. mit meiner Freundin Christiane Nickel im Keller des Hauses auf . Der Mieter aus dem 3.Stock, HerrTeszmer , kam dann zu uns in den Keller und forderte uns auf, aus seinen Räumen mit anzusehen, wie der Dom wie eine Fackel brannte


2.Tagebuch des Herbert Fritzsche

Herbert Fritzsche war der Sohn des Inhabers der Autowerkstatt Fritzsche , die in Fürstenwalde- Nord in der Müncheberger Chaussee ,heute Thälmann Str., ansässig war. Der inzwischen Verstorbene hat sehr zeitnah Tagebuch geführt , das im Stadtmuseum Fürstenwalde archiviert ist.

Montag, den 16.4.45 Fürstenwalde. Morgens 4.00 Uhr Beginn eines 2- stündigen Trommelfeuers der Ostfront im Raum Küstrin, Lebus, Frankfurt(O) Um 7.00 Uhr bekommt Fürstenwalde Feindalarm, der nicht wieder aufgehoben wurde. Um 11.30 russischer Bombenangriff auf Fürstenwalde. Ein Munitionszug wird getroffen. Explosionen dauern mehrere Stunden an, dabei gehen Fensterscheiben und Dachziegel der Werkstatt und des Wohngebäudes zu Bruch. Um 13.15 ein weiterer russischer Bombenangriff. Um 21.00 Uhr schwerer Nachtangriff der russischen Flieger auf Fürstenwalde. Ich befand mich auf dem Wege zur Post, etwa am Bahnübergang fiel die erste Bombe. Ich lief sofort zurück und traf mit meinen Eltern und Irma und Fam. Gollin auf unseren Treppenflur zusammen. Wir konnten nicht mehr raus, denn mitten auf dem Hof, etwa 2 m vor der Verandatreppe des alten Hauses fiel eine Bombe(Krater von etwa 5 m und 3 m Tiefe ) Türen und Fenster wurden aus unserem Neubau ausgerissen und wir alle stürzten uns, um nach dem Luftschutzkeller zu kommen in das Meisterbüro. Unter dauerndem Bombenhagel rannten alle nach dem Luftschutzkeller. Papa, Mama und ich. Frau Gollin und Tochter blieben im Meisterbüro. Als eine weitere Bombe auf dem Grundstück von Wesemann die Werkstatt zusammenbrechen ließ wurden wir alle mit den Trümmern überschüttet Zum Glück erhielten alle nur Hautabschürfungen, da wir uns an den Pfeilern aufhielten. Nur Mama erhielt einen Splitter in die linke Schläfe u. hatte starken Blutverlust. Wir stürzten uns alle wieder in den Keller des Neubaus zurück und blieben dort bis zum Ende des Angriffs etwa um 23.30 Uhr . Viele Bomben krachten noch ringsherum Zwischendurch kamen noch Herr und Frau Meißner dazu. Schwerer Brand der Scheune auf dem Grundstück Dahlkes. Nach dem Angriff Besichtigung des Grundstücks .Oberst Gurt und Hptm. Wetzel vom ROK 9.


3..Bericht Wolfgang Albert:

Der ehem. Luftwaffenhelfer Wolfgang Albert, aus Plauen stammend , verstorben 2005, hat seine im Jahre 2002 verfassten Erinnerungen dem Stadtmuseum Fürstenwalde zur Verfügung gestellt .Darin schildert er Erlebnisse in Fürstenwalde (Wir17-jährigen Luftwaffenhelfer kamen in Fürstenwalde in ein großes Barackenlager in einem Kiefernwald. Ein Teil davon wurde von Ostarbeitern bewohnt, die in einer benachbarten Fabrik arbeiteten. Sie hieß „Pintsch“. Den Namen werde ich nicht vergessen, er stand auf jeder Gaslampe in den alten Eisenbahnwagen. Jetzt stellten sie Vierlings -MG für die Flak und Torpedorohre her. Hier machten wir vier Wochen Infanterieausbildung in Wald und Feld. Mitte März 45 kamen wir zu einer Flakbatterie in Molkenberg. Es war die 4.(10,5 cm) Flakbatterie der 321 Flakabteilung des 2.Flakkorps. Chef war Hauptmann Bach, Spanienkämpfer und Träger des „Deutschen Kreuzes in Gold. Die Batterie bekam dann einen leichten Flaktrupp mit 3 Vierlings MG dazu. Anfang April wurden von uns Soldaten am Stadtrand von Fürstenwalde in der Kleingartenanlage „ Am Weinberg“ eine neue Stellung angelegt. Unsere Batterie sollte damit ein Teil der „Festung Fürstenwalde“ werden.) .

Am 16.April hatte ich Nachtwache. Es war gegen 3 Uhr früh, da ging im Osten die Sonne auf. Nein- das konnte doch nicht sein! Der ganze Himmel war dort auf einmal rot. Nach wenigen Minuten war ein eigenartiges Brausen in der Luft. Eine Erklärung brauchte keiner. Es war das Trommelfeuer der Russen zum Sturmangriff an der 40 km entfernten Oder. Sofort (am 16.4.) waren auch russische Flugzeuge da. Aber in Massen! Das hätte keiner geglaubt. Überall in der Luft waren dicke weiße Leuchtkugeln an Fallschirmen. Wir hätten Zeitung lesen können, so hell war es. Dann fielen Unmengen an Bomben, auf die Stadt, den Bahnhof, die Fabrik, den Fliegerhorst.


4.Bericht E.S.

Pseudonym eines Zeitzeugen, der in dem Buch „Brandenburg im Jahre 1945“ Hrsg Brdbg. Landeszentrale für politische Bildung , zitiert wird.

Am nächsten Morgen(16.4.45)hörten wir starkes Trommelfeuer, so dass die Möbel erzitterten, und um 7.00 Uhr gab es Fliegeralarm. Was das zu bedeuten hatte, wussten wir. Keiner ging mehr arbeiten. Die Geschäfte wurden, besonders nach Brot, gestürmt Um 13.00 Uhr kam ein erneuter Fliegerangriff mit stundenlangen Detonationen, da ein Munitionszug, der im Güterbahnhof stand, getroffen war. Dabei gingen die meisten Fensterscheiben zu Bruch, auch die unsrigen. Abends um 20.00 Uhr kam ganz überraschend ein heftiger Fliegerangriff auf Fürstenwalde. Wir saßen 2 ½ Stunden im Keller , mussten dann weiter durch einen Mauerdurchbruch ins Nachbarhaus und noch weiter, da ein großer Blindgänger vorm Haus lag. Die Stadt erlitt große Schäden.


5. Mitteilung Norbert Woosmann :

(Norbert Woosmann, Berufsschullehrer , lebte 1945 als 15-jähriger mit seinen Eltern in der DEKA-Siedlung in Ketschendorf. Mitteilung an den Verf. )

Am 16.4.45 habe ich auch das Trommelfeuer gehört. Die Kabelwerke (DEKA) in Ketschendorf sind (entgegen anderen Angaben) nicht von Bomben getroffen worden. Ich war damals 15 Jahre alt und habe die Tage der Angriffe von der Reifenwerksiedlung aus beobachtet. Mein Vater war als Meister bei der DEKA beschäftigt und gehörte zum Volkssturm dieses Betriebes. Vor dem Eingang zur Reifenwerksiedlung explodierte jedoch nacheinander die Munition ,die ein LKW geladen hatte, der offenbar von einem Tiefflieger getroffen worden war. Der Fahrer flüchtete zu uns in den Keller. Nach dem die Russen Ketschendorf am 25.4.eingenommen hatten, mussten wir 15-jährigen Jungen die umher liegende, nicht explodierte Munition aufsammeln und für den Abtransport stapeln.

Ein russischer „Bomber“, offenbar abgestürzt, aber ohne Brandspuren und Spuren der Besatzung, lag in Ketschendorf  im Wald zwischen Tränkeweg und Bahnlinie. Die Motoren lagen etwa 1 km entfernt auf der Chaussee Str.(jetzt Aug. Bebel Str. )vor der Gaststätte „Festhalle“. 

Ich baute mit meinem Freund H.J. Gramsch den Kompass aus der abgestürzten Maschine aus. Als wir den Kompass öffneten, beschmutzen wir unsere Kleidung mit dem Sprit, der sich im Kompass befand..


6. Bericht Heinz Senzel

Ein Fürstenwalder, vermutlich Jahrgang 1931 und Mitarbeiter des Wasserstraßenamtes, lebte in der Lindenstraße . Sein handschriftlicher Bericht ist im Stadtmuseum archiviert

S.30 : Trommelfeuer, das der Schlacht vorausging, ließ bei uns die Häuser zittern. Auf und abschwellendes Grollen war tagelang zu hören. Viele Menschen waren auf den Straßen. Flüchtlingstrecks verstopften die Straßen. Das Leid ging seinem Höhepunkt entgegen. Manchmal huschte eine ME 109 oder eine FW 200 über den Wald, sie waren oft vollkommen durchlöchert. Sie hatten kaum noch Sprit und somit keine Chance , den Luftraum abzusichern. Einen Luftkampf sah ich einmal aus der Nähe, als ich mit Mutter auf der Buchtewiese am östlichen Stadtrand war. Auf einmal war der Teufel los. Flugzeuge stiegen auf und jagten im Tiefflug über die Erde, dass auf der Wiese die Grashalme schwankten. Wir warfen uns hinter die Laube und sahen uns vorsichtig um. Von einer Seite kamen die Ami`s , wie immer mit Kondensstreifen brummten sie daher. Von Osten, ziemlich tief, kamen sowjetische Bomber .Die Flak, von Minderjährigen bedient, schoss wie wahnsinnig Sperrfeuer. Schwarze und graue Kleckse hinterließen die krepierenden Granaten am blauen Himmel. Einschläge krachten auf dem Flugplatz. Rauchpilze stiegen auf. Über dem nahe liegenden Neuendorf tobte ein Luftkampf. Zwei Maschinen stürzten von einem Moment zum anderen Fackeln gleich zur Erde. Die Situation war: Unsere wollten zum Einsatz, denn ich sah die kleinen Bomben unter dem Rumpf hängen. Um auf dem Platz kein leichtes Ziel zu bieten, starteten sie und ließen die Bomben im Notwurf fallen, um beweglicher zu sein. In zehn Minuten war alles vorbei und die deutschen Flugzeuge, die wie ein aufgeregter Bienenschwarm herumgesaust waren, beruhigten sich und landeten wieder.



Wir hatten einen Garten an den Buchtewiesen. Zwischen den Gemüsebeeten wollten wir unsere Kiste mit Wurst und Schinken von unserer letzten Schlachtung vergraben Es war nämlich das Einzige, was wir später gerettet hatten .Wir machten alles sehr vorsichtig, denn der Volkssturm lag überall herum und beobachtete alles sehr argwöhnisch. . Zweimal schossen sie über uns drüber weg. Wie Hornissen zirpten die Kugeln über unsere Köpfe. Wir waren tödlich erschrocken. Jetzt schossen sogar die Eigenen auf uns.


7.Bericht Jean Salque`bre

Ein französicher Kriegsgefangener aus Dombrot le Sec , der 1945 32 Jahre alt war und einen Bericht „Kommando a Fürstenwalde „ mit 82 Jahren verfaße.t Der Bericht ist im Stadtmuseum samt Übersetzung archiviert.

Es gab eine gewaltige Panzerschlacht. Zu diesem Zeitpunkt waren es die Russen, die angriffen, nicht weit von unserem Lager entfernt. Auf Grund des heillosen Durcheinanders kam es schon gar nicht mehr in Frage, arbeiten zu gehen. Inzwischen waren auch die Deutschen ziemlich demoralisiert


8.Bericht Elsa Wittchen verw. Potratz

Bericht einer Fürstenwalderin, die 1945 Friedrich Engels Str./ Ecke Havemann Str. wohnte und bei der Feldpost beschäftigt war. Aufgezeichnet Weihnachten 1945.Bericht im Stadtmuseum archiviert.

Um ½ 5 weckte mich Herta .Was ist das für ein Geräusch, das wir hören? Das wird wohl die Oderfront sein , es wird wohl die Offensive beginnen. ! O ja, sie begann, aber nicht wir, der Feind griff an. .. Aber was ist das? Wieder die Sirene – nein- keine Entwarnung- das ist Daueralarm! Einer sagt es dem anderen: Panzer sollen durchgebrochen sein! Und dieses komische Geräusch! Immer noch hält es an. Trommelfeuer der Sowjets! Es war inzwischen 10.00 Uhr geworden, da- was ist das? Flieger über uns, Bomben fallen. Alles schnell in den Keller ! Detonationen über Detonationen – ein Munitionszug war getroffen. Dunkel wird der Himmel, dann rote Eisenstücke fliegen in die Luft. Man wagte sich nicht aus dem Keller, trotzdem kein Flieger mehr zu sehen war. Um13.00 Uhr beginnt mein Dienst im Feldpostamt. Der Nachmittag vergeht in unruhiger Arbeit, aber es bleibt ruhig. Um ½ 20 Uhr ist dienstfrei. Da- kein Alarm, aber es fallen Bomben ohne Aufhören! Fürstenwalde erlebt den ersten Großangriff - und es genügt – 3 Stunden hält er an.

Wir sitzen eng beisammen, einer hält die Hand des anderen, kauern uns an die Erde, um nicht dem Luftdruck ausgesetzt zu sein. Einmal war uns, als wäre unser Ende da. Die Erde erbebte, Ziegel fielen, Fenster klirrten- steht unser Haus noch ? Langsam wagten wir uns nach oben. – und, o Glück – unser Haus steht noch, aber die Stallungen , unter denen unser Luftschutzbunker liegt, haben etwas abbekommen.

Wo nun schlafen? In der Wohnung unmöglich. Ich stelle in unserem Keller Stühle zusammenlege ein Bett drauf und richte so eine notdürftige Liegestatt für Muttchen her. Ich selber verbringe die Nacht auf einer Kartoffelkiste.



9.Bericht Otto Lehmann

Auszug aus dem Buch „Leidgeprüftes Land Lebus“, in dem Forstverwalter Otto Lehmann seinen Aufenthalt in Fürstenwalde schildert.

Schlagartig setzt um 4.00 Uhr morgens entlang der Oder schwerster Artilleriebeschuss ein, die Fensterscheiben klirren. Das muss der Auftakt zum Durchstoß nach Berlin sein!


10.Bericht Wilhelm Zernicke

Wilhelmi Zernicke jun.war Altkommunist und wurde am 23.4.1945 vom russischen Kommandanten der eroberten Stadt Fürstenwalde neben seinem Vater Wilhelm Zernicke sen. zum Bürgermeister ernannt. Bei seiner Befragung vom 1.10.1965 durch den Vorsitzenden der historischen Kommission der Kreisleitung der SED , Richard Schulz, über die Ereignisse am 16.4.45 in Fürstenwalde, machte er ausführliche Angaben .Außerdem äußerte er sich am 20.Jahrestag des 21.4.1945 in der NFZ (Neue Fürstenwalder Zeitung) zu diesem Thema. Diese Unterlagen sind im Stadtmuseum Fürstenwalde archiviert.

Dumpf rollend war, gleich einem Gewitter, der Geschützdonner zu hören. Die Front stand an der Oder , und immer neue Kolonnen von Flüchtlingen aus den Dörfern des Kreises Lebus zogen mit Handwagen und Pferdegespannen durch unsere Stadt. Große Viehherden wurden vorbei getrieben und alles in Richtung Westen. Der Untergang des Dritten Reiches stand bevor. Am 16.4. vormittags gegen 10 Uhr erschienen sowjetische Tiefflieger(wahrscheinlich Jagdbomber, jedenfalls nicht die sog.“Kaffeemühlen“) über Fürstenwalde und nahmen die Stadt bis etwa gegen 15 Uhr unter Bordwaffenbeschuss .Bomben fielen noch nicht. Durch den Beschuss wurde aber gegen 13 Uhr ein auf dem Kleinbahnhof stehender Munitionszug getroffen, der in Brand geriet und bis etwa 15 Uhr ausbrannte. Es war eine ständige Aufeinanderfolge von z.T. sehr heftigen Explosionen. Der Bordwaffenbeschuss an sich verursachte in der Stadt nur unwichtige Einschuss-Schäden an Gebäuden usw. Wie es hieß, kam dabei 1 Zivilperson zu Tode. Durch den explodierenden Munitionszug entstand allerdings großer Schaden an Gebäuden in der ehem. Forststraße, der Düppel- und Buckower- auch Seelower Straße, in der Martin Luther Straße usw. Dabei wurde auch das Arbeitsamt in der Forststraße, das gesamte Bahnhofsgelände des Kleinbahnhofs einschließlich Gebäude u.v.a. mehr vernichtet

Um 18.00 Uhr am 16.4.erfolgte der erste und im „Vorwärts“ erwähnte starke Bombenangriff auf die „Festung“ Fürstenwalde .Geworfen wurden, soweit ich weiß, nur Sprengbomben. Ziel des Angriffes war offensichtlich die Zerstörung des Bahnkörpers – vor allem in Richtung Berlin.

Das Bahnhofsgebäude wurde nicht getroffen. Ich sehe daran, dass sich der Angriff gegen evtl. Truppenverschiebungen der Nazis von Berlin aus an die Front richtete. Der gesamte Bahnkörper bot ein wüstes Trümmerfelderfolgte und war völlig unbenutzbar geworden.

Dabei bekam die Gegend Seelower Straße , die schon gelitten hatte, den Rest. Erst jetzt wurden die großen Häuser in der Düppelstraße ,Seilerstraße ,Buckower Straße und andere zerstört. In der Lutherstraße m.W. allein 7-8 Häuser.

In der Nacht bzw. am späten Abend des gleichen Tages erfolgte der zweite Angriff sowjetischer Flieger; wahrscheinlich handelte es sich um die im “Vorwärts“ handelnden Flugzeuge, die von Friedrichshagen zurückkamen. Auch dieser Angriff war von einer bisher noch nicht in Fürstenwalde da gewesenen Heftigkeit….

Bei diesem Angriff entstanden u.a. folgende Schäden: Junkerstraße, Teile der Herrenstraße, der Tuchmacherstraße, das Rathaus und Teile der nördlichen Müncheberger Straße bis nach Süden zur Herrenstraße.

(Unbeschädigt blieb aber das Kaufhaus Flatauer/Bensberg) 

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11.Mitteilung Wolfgang Andres

Wolfgang Andres, Jahrgang 1931, Dr.Goltz Str. 3 ,Fürstenwalde , ist Werbefachmann. Pers. Mitteilung an den Verf.


Der 16.April 1945 war ein ganz dramatischer Tag. Ich erinnere mich genau an viele Einzelheiten. Früh um 4 oder 5.00 Uhr ging das Geballer los. Dem Wohnhaus meiner Eltern , in dem ich heute noch lebe , sind die früheren Offizierswohnhäuser gelegen , in denen viele Offiziere des Flughafens lebten. Einer davon war der Hauptmann Tiedemann, den ich als typischen Etappenhengst bezeichnen würde. Er stand , angezogen mit Uniformhosen und Hosenträgern im Garten und fing dort an zu graben. Zu dem Schlachtlärm erklärte er lauthals:“ Das Gedonner ist Musik für meine Ohren.“

Am Tage vorher hatte er berichtet, dass der Oberst Rudel vom Stuka-Geschwader Immelmann , der damals auf dem Fürstenwalder Flugplatz stationiert war , gesagt hätte: „Fürstenwalde hat die funktechnisch übermittelte Aufforderung der sowjetischen Roten Armee zur Kapitulation zurückgewiesen“. Nun werde es am 16.4.45 einen schweren Luftangriff auf Fürstenwalde geben „

Diesen Oberst Rudel , der deutsche Offizier mit den höchsten Auszeichnungen, der trotz des Verlustes eines Beines wieder Kampfeinsätze flog , habe ich persönlich mehrfach erlebt, weil er mit der Tochter des Hauptmanns Tiedemann liiert war und mit einem Mercedes –Benz „Maybach“ , dem Luxus-Auto der Nazizeit, vorgefahren kam. Wenn Oberst Rudel aus einem Flugzeug stieg , was wir Jungen , die wir uns oft am nahe gelegenen Flugplatz aufhielten ,gut beobachten konnten , kam dieser Maybach bis direkt an das Flugzeug gefahren. Bei diesen Gelegenheiten sahen wir auch, wie bei den JU 87 Stuka und den Focke-Wulf 190 Jägern vor dem Abflug eine Bombe untergehängt wurde. Außerdem war die Bordkanone zu erkennen. Es ging um Panzerbekämpfung aus der Luft.

Am frühen Vormittag des 16.4. musste ich im Auftrage meiner Mutter mit dem Fahrrad meines Vaters in die Stadt fahren. Mein Vater war zum Volkssturm eingezogen und nicht zu Hause. In der Stadt wurde ich in der Nähe des Grasnick- Brunnens angehalten. Man nahm mir das Fahrrad weg und brachte es auf den Hof der damaligen Mittelschule. Dort standen bereits viele andere Fahrräder. Offenbar sollten sie für sog. Panzerjagdtrupps Verwendung finden. Weinend lief ich zu meiner Mutter zurück. Mit ihr zusammen erreichte ich ,dass der Mittelschuldirektor Lindemann, der offenbar für die Requirierung der Fahrräder verantwortlich war , uns das Fahrrad wieder mitnehmen ließ.

Auf dem Rückweg wurden meine Mutter und ich von einem Luftangriff überrascht. Wir suchten Deckung am sog. Rondell in der Liebknechtstraße und sahen, wie die tief ankommenden Maschinen eine Kurve flogen und Bomben warfen. Überdies schoss die deutsche Flak , u.a. stationiert am sog. Heimkehrerlager und im Park an der heutigen Brücke über die Eisenbahn. Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, rannten wir nach Hause . Es war der Zeitpunkt, als der Munitionszug explodierte. Natürlich lief ich mit anderen Jungen meines Alters am Nachmittag aus Neugier zu der Unglücksstelle. Die Küstriner Straße war von Splittern übersät. Der Panzergraben , der entlang der Bahnstrecke vom Gartenhaus Korfes bis zum früheren Bahnübergang gegraben war, lag voller verletzter Soldaten. In den Fluren der anliegenden Häuser lagen in der Forststraße (heute E. Jopp Str.) Verwundete und schrieen. Ich erlebte erstmals das ganze menschliche Elend , das im Krieg entsteht.

Am Abend kam dann der schwere Luftangriff , bei dem eine Bombenreihe aus Richtung Eiche-Sportplatz bis zum Pintschgelände zwischen Fichtestr. und Dr.Goltz Str. verlief. Wir saßen im Keller des Hauses und waren voller Furcht Die Erde bebte und es splitterten Fenster und Ziegel. Über der Stadt lag ein blutroter Schein. Das Sägewerk „Weißhaar“ am Bahnhof brannte. . Nach dem Angriff flüchteten wir aus Angst vor weiteren Angriffen auf die Stadt in den Wald zum Forsthaus zwischen Umspannwerk und Miegel.

Wir lagerten dort in den für die SS-Division „Frundsberg“ etwa 14 Tage vorher für deren Fahrzeuge ausgehobenen Erdlöchern.

. Ich erinnere mich noch, wie Kühe in nahe gelegenen Stallungen in Richtung Trebus schrieen, weil sie nicht gemolken worden waren.

Der Aufenthalt im Wald war aber derart unbehaglich und erschien uns immer unsicherer, dass wir am nächsten Tag wieder nach Hause gingen.


12. Mitteilung Hannfried Opitz

Prof.Dr.Hannfried Opitz , Jahrgang 1930 ,jetzt Halle/S. , erlebte die Apriltage 1945 in Fürstenwalde .Pers .Mitteilung an den Verf.

Der Sturm auf Berlin begann am 14.4., ums Morgengrauen mit einem gewaltigen Trommelfeuer aus dem Brückenkopf Reitwein-Lebus. Ich dachte, es wäre Gewitter. Sobald es hell war, begab ich mich ans Dachfenster, von wo aus ich den Flugplatz einsehen konnte. Pausenlos starteten und landeten jeweils 2 JU 87, offenbar zur Panzerbekämpfung. Ich erfuhr später, dass sie zur Gruppe Major Rudel gehörten. Deshalb kann ich auch an eine Belegung des Fürstenwalder Flugplatzes mit FW 190 nicht so recht glauben. Am Montag 16.4. war der Teufel los, die Tassen klirrten im Schrank, und gegen 6.00 Uhr wurde Panzeralarm gegeben. Ich ging nicht zum Schanzeinsatz, wie sonst üblich. Das war der massierte Großangriff und nun flogen auch die sowjetischen Schlachtflieger IL 2 (Burewestnik - Sturmvogel) hin und her und ich kann bestätigen ,dass den ganzen Tag Tiefflieger Ziele im Stadtgebiet beschossen. Den brennenden Munitionszug habe ich gesehen, er sollte über die damals noch vorhandene Strecke der Oderbruchbahn ins Einsatzgebiet um Müncheberg gebracht werden. Es wirkte wie ein gewaltiges Feuerwerk


Als ich später recherchieren ging, lagen am Seilerplatz nicht detonierte 8,8 Flakgranaten herum. Unmittelbar am Bahnübergang war in der Hauptstrecke nach Berkenbrück ein Trichter von etwa 3 m Durchmesser . Im Turm der katholischen Kirche klaffte unterhalb des Wetterhahnes ein großes Loch. Ihn soll ein Tiefflieger mit dem Flügel gestreift haben. Von der brennenden Domkirche habe ich zu dieser Zeit nichts bemerkt, am nächsten Morgen war aber die Turmhaube bis zur Höhe der Seitentürme verschwunden.

Gegen 20.30 Uhr krachten einige Flakschüsse (südöstlich vom Flugplatz an der Steinhöfeler Chaussee standen schwere 10,5 cm Flaks) und dann wurde Fliegeralarm gegeben. Es erfolgte der erste schwere Bombenangriff von etwa 30 min.Dauer. Unser Haus in der Alten Neuendorfer Straße 1 lag direkt neben einer Bombenkette.; Volltreffer waren im Postamt, im Hause Dr.Witzmann (Eisenbahnstraße) und weiter im Hause des Schneidermeisters Schlosser (Bergstr.)Die Bombentrichter waren relativ klein, 2-3 m Durchmesser, was auf 50 kg Bomben schließen lässt Brandbomben wurden nicht beobachtet. Die Flugzeuge waren nicht sehr hoch, das Motorengeräusch bei Annäherung und Entfernung deutlich verschieden. Der Strom fiel aus, es gab auch keine Entwarnung. So blieben wir im LSR(Luftschutzraum) auch verstummen der Einschläge. Nach einiger Zeit neues Motorengeräusch, neue Detonationen, mehr Richtung Innenstadt, vielhundertmal. Offenbar erfolgten die Angriffe wellenartig. Aber die Schäden waren weiträumiger, als bloß in der Innenstadt, wie ich am nächsten Morgen bemerkte, jedoch kaum Brände. Wir waren mit dem Aufräumen unserer noch bewohnbaren Wohnung beschäftigt. Die Fenster waren natürlich entzwei, wir hatten aber die Doppelfenster vorher herausgenommen.


13. Mitteilung Erika Schulz geb.Thierbach

Frau Erika Schulz, Jahrgang 1927 , wohnte und wohnt im Haus der Gaststätte Stadtbank, Eisenbahnstraße,Ecke Berliner Straße.Sie wurde ab Juni 1945 für 38 Monate in den sowj. Internierungslagern Ketschendorf, Jamlitz und Mühlberg ohne Verurteilung als angebliches Mitglied des Wehrwolfs inhaftiert, weil sie es abgelehnt hatte , die Geliebte des berüchtigten Leutnants Ruban, Dolmetscher des Stadtkommandanten Oberst Kytschegin, zu werden.. Später wurde sie kaufm. Direktorin im HO-Kreisbetrieb .Pers. Mitteilung an den Verf.

Am 16.April 1945 gingen früh um 03.00 die Sirenen für eine Viertelstunde. Das sollte „Feindalarm“ bedeuten , wie wir vorher belehrt worden waren. Meine Mutter und ich – der Vater war als Soldat im Kurlandkessel eingeschlossen – hörten das starke Grollen .Als wir vom Fenster im ersten Stock die Frankfurter Straße herunter schauten, sahen wir einen blutroten Osten. Wir waren, wie alle Menschen, denen wir zu dieser Zeit begegneten, sehr aufgeregt und hatten Angst, denn mein Vater hatte uns schriftlich vor Gewalttaten der Russen gewarnt und uns aufgefordert, die Gaststätte zu schließen und in Richtung Westen zur Elbe zu fliehen. Trotz dieser Warnungen öffneten wir gewohnheitsmäßig auch am 16.4. die Gaststätte und bedienten Kunden.

Gegen Mittag hörten wir ein furchtbares Geräusch und erfuhren dann von Gästen, dass auf dem Kleinbahnhof ein Munitionszug explodiert war. Wir arbeiteten trotzdem weiter. Am Abend gab es Fliegeralarm. Wir flüchteten in unseren Bierkeller und erlebten, wie in mehreren Wellen Bomben auch in der Nähe unseres Hauses fielen, z.B. bei Möbel-Buley.

Im Bierkeller war übrigens kurz vorher von Volkssturmleuten ein zusätzliches Loch gegraben worden, indem Panzerfäuste und ein MG eingelagert wurden. Der Volkssturmmann, der kleinwüchsige Friseur Huhn, sollte aus den Kellerfenstern auf russische Panzer schießen. Meine Mutter stellte ihm einen Hocker an das Kellerfenster, damit er überhaupt hinaussehen konnte. (Zum Glück ist es später, als wir das Haus schon verlassen hatten, nicht zum Kampfeinsatz gekommen.)

Als meine Mutter und ich am 1.Mai von der Flucht (bis Markgrafpieske) zurückkehrten, lagen die Panzerfäuste immer noch im Bierkeller. Ich 17-jähriges Mädchen wurden dann von russischen Soldaten gezwungen, diese Waffen aus dem Keller zu holen und sie ihnen zu übergeben.


14. Mitteilung Erhard Zinn

Erhard Zinn, Jahrgang 1927, damals und heute wohnhaft Lotichiusstr. 23 ,Flakhelfer ,vom Wehrdienst bis Mai 1945 zurückgestellt ,hatte Studium begonnen ,wurde jedoch kriegsdienstverpflichtet zur Arbeit in der Gärtnerei seines Großvaters in der Rauener Straße , später Gartenbauingenieur. Pers. Mitteilung an Verf.

Montag 16.4.1945.Meine Mutter weckte uns um 4.00 Uhr morgens. Wir gehen auf die Straße. Ein breites Wetterleuchten am Osthorizont, begleitet von dumpf grollendem Geschützdonner lässt uns den Beginn der befürchteten Offensive der Russen an der Oder vermuten. Weshalb auch hatte die Wehrmacht in den letzten Wochen Panzersperren in unseren Straßen, Schützenlöcher in den Gärten und quer durch die Gärtnerei von russischen Kriegsgefangenen einen Panzergraben anlegen lassen .An den Bögen der Spreebrücke konnte man mit Kabeln verbundene Sprengladungen sehen. Im Laufe des Vormittags kommt es zu Luftkämpfen über der Stadt. Ich sehe, wie ein deutsches Jagdflugzeug trudelnd abstürzt. Russische Tiefflieger schießen auf sich bewegende Ziele. Während der Arbeit in der Gärtnerei suche ich schnell Schutz vor einem kleinen Verband zweimotoriger Bomber .Aus dem Schützenloch heraus sehe ich wie die Bomben fliegen. Ein Wohnhaus in der Querstraße (heute Zillestr.) wird halb zerstört. Im Hof der Tischlerei Gräbert ein riesiger Trichter. Ich habe Angst um die Gewächshäuser. Im Hitlerjugendheim neben der Gärtnerei werden Jugendliche von kriegsversehrten Soldaten an der Panzerfaust ausgebildet. Während der Fliegerangriffe schießen sie mit einem Maschinengewehr auf die Flugzeuge. Aus Richtung Innenstadt sind starke Explosionen zu hören. Ich sehe einen emporschießenden Feuerball , der plötzlich zerplatzt und eine starke Rauchentwicklung. Am Abend treffe ich Alfred Schnieber, einen Klassenkameraden. Er will mir den zerstörten Munitionszug zeigen. An der Theodor Körner Schule halten wir an, da wir näher kommende Bombeneinschläge hören. Alfred weiß von Schützengräben am Ende der Frankfurter Straße. Wir rasen mit den Rädern dorthin. Wir erleben im Graben ein ca. drei Stunden anhaltendes Bombardement nach amerikanischem Muster mit so genannten Weihnachtsbäumen. Die Stadt war taghell erleuchtet. Man hört die Bomben fliegen und hat dadurch den Eindruck, direkt getroffen zu werden. Ich habe Todesangst. Aus der nahe liegenden Pionierkaserne suchen Soldaten Schutz in den Gräben. Die Baracken auf dem nahen Exerzierplatz brennen lichterloh. Munition explodiert.. Die Flakartillerie auf dem Exerzierplatz schießt aus vollen Rohren, später nur noch hin und wieder. Ich schaue über den Grabenrand und sehe zwei Krankenschwestern aufrecht eine Bahre tragend. Alfred wohnt nicht weit, auf der andren Seite der Bahnlinie. Nach dem Angriff nimmt er mich mit. Seine Mutter rät mir, erst wenn es hell wird, nach Hause zu fahren.


15.Bericht Anneliese Schwarz

Anneliese Schwarz, Lehrerin i.R., hat am 20.1.1995 einen „Bericht über die Geschehnisse vor 50 Jahren“ verfasst, der in der Dombibliothek des St.Mariendoms archiviert ist.


Montag 16.4.1945 : 3 Uhr am Morgen- dumpfes Grollen an der Oder-Stalinorgel-. Erst allmähliches Erwachen und Klarheit, dass der Angriff der Russen begonnen hat. –die Offensive. Unser Vati bereits in der Kaserne an der Braunsdorfer Straße, da er bei der Feldpost dienen musste. Vormittagsstunden: Detonationen über Detonationen, die Flieger über uns- Alarm- ein Munitionszug am Bahnhof ist getroffen- Dunkel wird es über uns- schnell in den Keller-Ruhe-. Ruth geht nach Süd zum Bäcker, noch Brot kaufen. Vater kommt von der Kaserne, die Vorbereitung für die Flucht beginnt d.h. Umräumen von Betten und Fensterflügeln in den Keller (Innenfenster dadurch behalten) Befehl von der Stadt zum Räumen durch SS. Gegen 20 Uhr sind wir fertig. Wir wollen uns hinlegen. 21 bis 23 Uhr :Großangriff russischer Flugzeuge über Fürstenwalde. Vater bereits in der Kaserne. Mutter und wir beiden Mädel in den Keller- Innenraum Zittern und Beben. Plötzlich eine Bombe – ganz in der Nähe, vor der jetzigen „Hopfenblüte“ ein Krater. Wir wissen nicht, dass in der Mars- la -Tour-Kaserne eine Flak-Einheit uns vor größeren Beschädigungen rettet, daher die Flugzeuge abdrehen.


16 Handschriftlicher Bericht (unbekannter Verfasser)

Im Archiv der Dombibliothek befindet sich ein handschriftlicher, undatierter und ohne Namensnennung vorliegender Bericht, der jedoch durch seine Lebendigkeit und Details überzeugt und deshalb in diese Zusammenstellung hineingehört.

Am 16.4.1945 frühmorgens ½ 4 wurden wir durch heftigen Kanonendonner geweckt. Unsere Fensterscheiben bebten, es war furchtbar anzuhören. Ich stand auf,, zog die Verdunkelung hoch und sah aus dem Fenster , da war der Himmel feuerrot. Wir dachten, die Russen brechen durch. Wir zogen uns schnell an, da bekamen wir auch schon Panzeralarm. Wir saßen ein paar Stunden im Keller, da wurde es ruhiger. Wir machten wieder unsere Arbeit, aber die Tiefflieger waren dauernd über uns, alles war erregt. Abends wollten wir früh zu Bett, denn man wusste ja nicht, was die Nacht bringt. .Aber die Kinder waren kaum eingeschlafen, da riss ich sie aus dem Bett, denn die Bomben krachten schon, wir kamen kaum die Treppe hinunter, so bebte die Erde. Es dauerte die ganze Nacht an, bis zum Morgengrauen. Unsere Fensterscheiben klirrten auf die Erde. Wir dachten alle, ob wir wohl noch mal lebend aus dem Keller heraus kommen. Endlich atmeten wir auf, die Bomber waren abgeflogen. In unserem Garten war ein großer Bombentrichter.


17. Bericht Ruth Kornrumpf

Frau Ruth Kornrumpf , Jahrgang 1903 , im Alterspflegeheim der Samariteranstalten lebend, berichtete am 24.2.1995 der Mitarbeiterin der Samariteranstalten, Frau Inge Czerwinske , von ihren Erinnerungen: Sie ist die Tochter des Pfarrers Franz Kornrumpf, der von 1886 bis 1933 Dompfarrer zu St.Marien war.

Der Chefarzt des Fürstenwalder Krankenhauses, Dr.Cupei, ich war dort als Krankenschwester tätig, hatte vorsorglich in den Kellerräumen der Patzenhofer-Brauerei am Dom Notbetten aufstellen lassen, um verletzte versorgen zu können Das war am 16. und 17.April 1945.Gleichzeitig begann die Evakuierung des Fürstenwalder Krankenhauses nach Radlow in die Baracken von abziehenden SS-Einheiten.


18.Bericht Margarete Baetge

Frau Margarete Baetge geb. 24.11.1909, Lehrerin , schrieb wahrscheinlich noch vor 1949 den Bericht :“Das Ende meiner Heimatstadt“. Durch mehrere Zufälle, die Prof.Martin Kornrumpf in einem Brief vom 18.1.1996 schildert , gelangte der Bericht in das Archiv der Domblibliothek .


Das Unglück brach so urplötzlich herein, dass niemand es vermutete. Die Kinder spielten noch auf der Straße, die letzten Flüchtlingswagen jagten dem Westen zu durch die Stadt. Die Soldaten saßen in Alarmbereitschaft in den Kasernen, als sich ein Bombenregen von russischen Bombern über der Stadt ergoss. Wo war das sichere Auge der Flak, der Sirene Warnung geblieben ?Die Sirenen schwiegen, weil der Tod sich nicht anmelden lässt. Er kam ohne Anklopfen und goss seine todbringenden Bomben über das kleine Städtchen .Die Kinder auf der Straße fielen vom Luftdruck um und wurden von Passanten schnell in die Keller gebracht. Fußgänger stürzten in die Luftschutzkeller – alles war jahrelang geübt worden um doch in eine Panik auszubrechen. Hatten denn alle die Verordnungen vergessen ?. Fast eine Stunde prasselten die Bomben hernieder mit einem Getöse, dass dem Weltuntergang ähnlich gewesen sein konnte. Dann folgte lähmende Stille. Die Menschen kamen aus ihren Kellern hervor, um zu sehen, was überhaupt noch übrig geblieben war. Woe erstaunt aber waren sie, als sie sahen, dass es nur kleine Bomben waren, die viel Splitterwirkung hatten, aber nur wenige Menschenleben forderten. Die ersten Schäden waren beseitigt- unruhig erwartete man den Abend, der ein noch schlimmeres Bombardement urplötzlich- ohne Vorwarnung-, wie das Erste brachte. Die Hölle entfesselte sich, Brandbomben und Sprengbomben ergossen sich – ohne eine Minute Unterbrechung- über Häuser und Menschen, drei Stunden lang. Die Häuser bogen sich, die Keller dröhnten .Es schlug rechts und links ein, man hielt es nicht mehr im Stehen aus, sondern man musste sich hinlegen, um dem Druck, der die Lungen zerreißen konnte ,zu vermeiden. Dass die Decke nicht einstürzte, war ein Wunder. Gebete, Notschreie wurden zum Himmel gesandt, und ein Herrgott hatte erbarmen. Das Toben hatte nach 3 Stunden ein Ende. Helle Feuer loderten zum Himmel, Häuser brannten, Menschen schrieen, waren verschüttet und brauchten Hilfe. Auf der Straße lag ein Fußgänger getötet. Er sah nicht mehr, wie die Kuppel des Kirchturmes, des Wahrzeichens dieser märkischen Stadt, von den Flammen ergriffen wurde.Er sah nicht, dass das Grauen in die Züge von Mann , Frau und Kind eingegraben war.Es war zu viel an einem Tage, drei Stunden lang, ohne auch nur eine Minute Entspannung zu bringen. Jeden Moment glaubte man, die Decke stürze über den Menschen zusammen und begrübe sie , um dann doch noch einmal zu standzuhalten.


19.Bericht Eberhard Walter

Eberhard Walter, Jahrgang 1935 , wohnte 1945 in der Trebuser Str. über der Gaststätte „Anglersruh “gegenüber dem Umspannwerk. Mündliche Mitteilung an den Verf.

Ich war damals 15 Jahre alt und wohnte in der Trebuser Straße, gegenüber vom Umspannwerk. Bereits vor dem 16.4.45 kamen russische Tiefflieger und warfen kleine Bomben, u.a. auf Eisenbahnwagen, die auf dem früheren Nebenbahngleis nach Palmnicken in der Nähe meiner Wohnung standen und in denen Soldaten wohnten. Am 16.4.45 sah ich von unserer Wohnung, aus dem Flurfenster , wie ein 2-motoriges Flugzeug, das eine Rauchfahne hinter sich zog und einen Flügel verlor , in der Richtung Rauener Ziegelei abstürzte. Kurz vorher war ich mit Gleichaltrigen aus Neugier, wie damals fast jeden Tag, auf „Schoppe`s Berg“.,die heutige Müllkippe, gegangen, um den Betrieb auf dem Flugplatz in Neuendorf zu beobachten. Dort starteten und landeten fortgesetzt die deutschen JU 87 Stuka`s und Focke-Wulf –Jagdflugzeuge. Wir kannten alle Typen , die damals flogen .Auf einmal kamen Flugzeuge, die wir nicht kannten. Es waren 2-motorige mit einem Roten Stern. Etwa gegen Mittag hörten wir einen gewaltigen Krach von Bombeneinschlägen und sahen eine große schwarze Rauchwolke in der Stadt aufsteigen. Es begannen die Explosionen des getroffenen Munitionszuges, die kein Ende nahmen. Dann begann ein Flakgeschütz zu schießen. Aus Angst rannten wir nun nach Hause. Dort machte ich die o.g. Beobachtung des Absturzes eines Flugzeuges.

Bei einer anderen Gelegenheit beobachteten wir den Luftkampf „Mann gegen Mann“ zweier Jagdflugzeuge. Eines davon stürzte ab, nicht weit von unserer Wohnung. Als wir die Absturzstelle aufsuchten, fanden wir das Wrack einer deutschen Maschine .Eine Welt brach für uns zusammen. Bis dahin hatten wir an die absolute Überlegenheit der deutschen Jagdflieger geglaubt. Nun hatte ein Russe – ein Untermensch !- gesiegt.

In der Nacht vom 16. zum 17.April war ein schwerer Bombenangriff auf Fürstenwalde. Über dem Stadtzentrum hingen Leuchten an Fallschirmen , die den Piloten das Zielen ermöglichten.


20.Mitteilung Wolfgang Weber

Wolfgang Weber, Mitglied des Fürstenwalder Museumsvereins, hat im Rahmen seiner „Bausteine einer Chronik von Rauen`sche Ziegelei“ von den Zeitzeugen S.Leder und Kurt Handschke ausführliche Auskünfte über den Absturz des sowj.Bombenflugzeuges am 16.4.45 erhalten. Persönl.Mitteilung an den Verf.

Der 2-motorige russische Bomber mit 6 Mann Besetzung stürzte ca 250 m nördlich der Gaststätte in Rauen`sche Ziegelei in den Hochwald, Jagen 14. Die Grube ist noch heute zu sehen. Beide –S.Leder und Kurt Handschke - haben den Kurvenflug der Maschine und das Abbrechen des Flügels, der auf der anderen Seite der Spree niederging, gesehen. Ein Teil der Besatzung hing mit Fallschirmen in den Bäumen. Von ihrem Schicksal konnte nichts in Erfahrung gebracht werden, da dort der Tross einer Flakbatterie lag.


21..Mitteilung Werner Knopf

Werner Knopf, Malermeister , Jahrgang 1932 , wohnte 1945 in Ausbau West (Heideland). Pers.Mitteilung an den Verf.

Ich habe als 13-jähriger Junge, der bei den Eltern im Heideland lebte, den Absturz des Flugzeuges erlebt. Sie ging in der Nähe der Oberförsterei Hulverscheidt , also bei der Großen Tränke, nieder. Ein Motor fiel auf das stadtseitige Spreeufer, wo wir neugierigen Jungs ihn uns ansahen. Dieser Motor lag noch längere Zeit auf der Wiese an der Spree . Die Fa. Langenbecker aus der Lindenstraße (Schrottaufkauf) hat sie dann Jahre später mit einem Pferdegespann herausgezogen.


23..Mitteilung Andreas Simon , Tagebuchnotizen Erich Schröder

Andreas Simon, Heimatforscher aus Rauen ,besitzt ein Privatarchiv, aus dem u.a. in dem Sammelband „Brandenburg im Jahre 1945“zitiert wird. Erich Schröder geb. 9.8.1904 , ist sein Großvater , der den Krieg überlebte und auf selbstgebauten Krücken noch 1945 nach Rauen zurückkehrte. Von ihm liegen Tagebuchnotizen vor.

Erich Schröder: „Wir, das Feldausbildungsregiment Nr.9, sollten am 16.4.1945 um 11.00 Uhr auf dem Bahnhof Fürstenwalde verladen werden , um an die Ostfront zu gelangen. Es wurde in Fliegertiefe marschiert. Kurz nach 11.00 Uhr kamen die ersten Tieffliegerangriffe. Die auf dem Zug verladenen Panzerfäuste und andere Munition ging in die Luft. Splitter sausten umher. Ich erlebte in unmittelbarer Nähe zwei Bombeneinschläge. … ich verlor mein Gehör und erhielt einen Treffer in den linken Fuß, so dass die große Zehe abgetrennt wurde. Die zweite Bombe war etwas weiter ab. Ich erhielt einen Splitter in die linke Wade und einen Splitter ins Kreutz.

Man brachte mich in die Verwundetensammelstelle in der Burgstraße (Geschw.Scholl Str.), wo ich im Keller in der Nacht zum 17.4 einen Bombenangriff erleben musste, bei dem zwei Volltreffer erhebliche Sachschäden hervorriefen. Fenster und Türen waren entzwei.


24... Mitteilung Eberhardine Lehmann geb.Schwan :

Frau E. Lehmann , Jahrgang 1928 ,Frankfurter Str. 4, hat es nach 1945 zur Malermeisterin (Sie war die erste Frau mit dieser Qualifizierung in der DDR) und zur Kunsterzieherin gebracht. (Mündl. Mitteilung an den Verf.)

Ich habe 1945 im 2.Lehrjahr als Verwaltungsangestellte bei der Stadtverwaltung Fürstenwalde gelernt. Im Frühjahr 1945 war ich bei der Polizei- und Luftschutzabteilung eingesetzt .Der Feuerwehrführer Alfred Kaul ist mir daher bekannt. Mir wurde mit der Verpflichtung zu höchster Verschwiegenheit von der Polizei- und Luftschutzabteilung ein Geheimauftrag erteilt (als 16-Jährige !), der darin bestand, dass ich den Telefondienst an einem heimlich im St.Marien - Dom installierten riesigen Klappenschrank immer dann zu versehen hatte, wenn eine Luftangriffs -Vorwarnung geben war. Ich wurde stets individuell benachrichtigt und musste dann auf einer eisernen Treppe mit meinem speziellen Schlüssel in das Innere des Domes gelangen und sofort hinter mir abschließen.

Im Dom befand sich außer mir nur noch ein Wehrmachtsangehöriger, der als Beobachter in 70 m Höhe in der Spitze des Turms stationiert war. Er war mit einem Maschinengewehr ausgerüstet. Seine Meldungen gab er mir telefonisch zur Weiterleitung an entsprechende Stellen durch oder  ließ sich direkt verbinden. (Eine zweite derartige Station befand sich übrigens im Rathaus)

Am 16.4.45 , nachdem Voralarm gegeben worden war , war ich wieder im Dom und saß am Klappenschrank, als der Beobachter vom Turm aus gegen 13.00 Uhr anrief und mir mitteilte: „Bei Bude 47 (an der Kleinbahnstrecke) greifen Tiefflieger einen Zug an.“ Das Wohnhaus meiner Eltern in der Forststraße (jetzt E.Jopp Str.) war nur etwa100 m von dem Ort, wo sich dieser Zug befand., entfernt. Diese Nachricht hat mich sehr verängstigt, denn ich wusste von dem Munitionszug, der dort schon einige Zeit gestanden hat. Dann teilte der Beobachter wenig später mit: „Der Zug ist explodiert“ Nun hielt mich nichts mehr, denn ich wollte unbedingt wissen, wie es meiner Familie geht . Ich rief dem Beobachter zurück : „ Ich haue ab!“ Der antwortete: „ Mädchen, überlege es Dir gut und renne nicht weg, Das kommt einer Fahnenflucht gleich und in der Stadt gibt es überall noch deutsche Soldaten.“ Ich ließ mich nicht beirren und rannte los, um nach meinen Angehörigen zu sehen. Unterwegs sah ich, wie Tiefflieger den Turm des Domes anflogen und beschossen und wie aus der Spitze des Turmes Maschinengewehrfeuer gegen die Flieger gerichtet wurde. Dann begann der Turm zu brennen. Bald brannte er wie eine Fackel. Ich glaube nicht, dass sich der Beobachter aus seiner 70 m hohen Stellung noch hat retten können. Der Dom war übrigens voll gestopft mit Archivsachen , in die ich manchmal, wenn ich bei den häufigen Wachen, wenn sich nichts ereignete , aus Neugier hineinsah. Deshalb wunderte ich mich nicht , als es dort bald insgesamt brannte.

Um nach Hause zu gelangen, musste ich immer wieder in Deckung gehen, einmal, um nicht von der explodierenden Munition getroffen zu werden, zum anderen, um den über der Stadt kreisenden Tieffliegern zu entgehen. Es war ein Weg voller Hindernisse und tödlicher Gefahren, um den Bahnhof herum, durch Gärten und Zäune bis zur Martin- Luther -Straße und zur damaligen Forststraße. Meine Angehörigen befanden sich bereits im Keller des Nachbarhauses, dem damaligen Arbeitsamt, in dem Wehrmachtsangehörige einer Feldposteinheit uns Unterkunft gaben. In unsere Wohnung Forststraße 62 konnten wir nicht mehr zurück; sie war von explodierender Munition vollkommen demoliert. Abends kamen dann wieder Tiefflieger und Bomber. Durch beleuchtete Fallschirme und einen brennenden Speicher in der Nähe war die ganze Bahnhofsumgebung taghell erleuchtet. Das Arbeitsamtsgebäude, indem wir – viele Wehrmachtsangehörige und einige Zivilisten - sich befanden , erhielt drei Volltreffer. Völlig von Staub und Schutt eingehüllt, aber durch einige starke Mauern geschützt, suchten wir uns den Weg ins Freie. Zum Glück war keiner von uns verletzt. Im großen Haus des ehem. Arbeitsamtes hatte es einige Tote und Verletzte gegeben. Wir konnten einige Habseligkeiten retten, hatten aber keine Bleibe mehr , denn in unserem beschädigten Wohnhaus steckte ein Blindgänger, der auch die Treppe aufgerissen hatte.


24.Mitteilung Irene Selke

Frau Irene Selke ,Jahrgang 1928 , Wilhelmstr.20 ,ist die Freundin der Frau E.Lehmann. Sie war Lehrling in der Stadtverwaltung . Mündl.Mitteilung an den Verf.

Frau Lehmann hat mir von ihrer geheimen Tätigkeit im Dom erst lange nach dem Krieg erzählt. Ich habe auch in der Stadtverwaltung gelernt, wo mein Vater seit 1902 als Stadtinspektor arbeitet. Als die Tiefflieger am 16.4.45 kamen und wir nach Hause geschickt wurden, musste ich von einem Hausflur zum anderen rennen , um der Gefährdung durch die Tiefflieger zu entgehen.


25. Mitteilung Ludwig Stein

Ludwig Stein, Jahrgang 1930,Dipl.Chemiker Schering AG, wohnhaft Berlin –Wannsee, damals Mozartstr. Pers.Mitteilung an Verf.

Ich stand auf dem Hof in der Mozartstr, und konnte von dort sehen, wie Jagdflugzeuge den Fliegerhorst angriffen. Deutsche, gerade startende Stuka`s ,wurden abgeschossen.


26. Bericht Pfarrchronik der kath. Kirchengemeinde St. Johannes

Kopie im Besitz des Stadtmuseums Fürstenwalde

Am 16.4.1945 Vormittag gegen 10 Uhr erfolgte ein scharfer Fliegerangriff. Ein unverantwortlicherweise gegen die Vorschriften stehen gebliebener Munitionszug flog in die Luft; 125 Soldaten büßten dabei ihr Leben ein. Sie wurden am Donnerstag Nachmittag beerdigt. In der Nacht vom 16. zum 17.April erfolgte ein zweiter sehr scharfer Angriff, der viele Häuser demolierte. In der Nähe des Pfarrhauses entstanden zwei große Trichter. Die Kirche wurde abgedeckt. Alle Fensterscheiben - bunt bemalt - gingen in Trümmer. Alle Türen sprangen auf.


27.Bericht Irmgard Caspar

Frau Irmgard Caspar , Lehrerin , wohnhaft Karl Str. 7 (Dr .Nuschke Str.), war eng mit der ev. Domgemeinde verbunden. Ihr Bericht wurde von Werner Puhlmann, Jahrgang 37, wohnhaft Victoria Str. 36 (F.Engels Str.) aufgezeichnet .Pers .Mitteilung an Verf.

Ganz besonders bekam unser Fürstenwalde den Luftkrieg zu spüren , als mit dem 16.4.1945 die Schlacht um Berlin ihren Anfang nahm. Am frühen Abend begann ein Angriff der Luftwaffe – besonders durch Tiefflieger- wodurch erhebliche Zerstörungen angerichtet wurden. Verschiedene Häuser gingen in Flammen auf. Auch fielen die ersten Bomben in den Domturm, der nach kurzer Zeit ebenfalls in Brand geriet. Der Brandherd verbreitete sich bald auf den Prospekt der Orgel, auf nebenstehendes Gestühl und auf die Turmstube mit der reichhaltigen Quistorp`chen Bücherei. So brannte der Turm vollständig aus und stürzte am 18.4. zwischen 17.30 und 18.00 bis auf die Höhe der Turmuhren zusammen. In der Schreckensnacht zum 18.4.erfolgte auch die Zerstörung des Hauptteils unseres Domes durch eine Luftmine , welche in der Nähe des Hauptaltars niederfiel. Dadurch wurden am 19.4. verschiedene Pfeiler , die Deckengewölbe des Schiffes , das Domdach und der größte Teil der östlichen Außenmauern in einen großen Trümmerhaufen verwandelt. Auch die nahe stehende Superintendentur wurde in Asche gelegt.


28.Bericht Frau Renate Schüler geb.Ernst:

Sie war 1945 11 Jahre alt und wohnte im Weinbergsgrund .Am 23.4.1985 machte sie an Stelle ihrer Mutter, Frau Marie Ernst , die aus gesundheitlichen Gründen die Fragen des SED-Chronisten R.Schulz nicht mehr selbst beantworten konnte, die folgenden Angaben. Die Mutter, Frau Marie Ernst, Altkommunistin, spielte 1945 nach diesen Ereignissen eine Rolle als Frauenrechtlerin innerhalb der KPD/SED , der Stadtverwaltung und dem VEB Gaselan. 1985 war sie 80 Jahre alt. Bericht im Stadtmuseum archiviert.

Das Ende des Krieges begann für uns mit der Aufforderung zur Evakuierung. Im Weinbergsgrund (damals Trebuser Straße) standen Panzer bereit, die die Kinder in Sicherheit bringen sollten. Nachdem wir alle auf den Panzern saßen, wollten die Mütter aufsteigen. Das wurde nicht gestattet. Meine Mutter zog mich wieder herunter und wir gingen mit einigen unserer Nachbarn nach Hause, packten die notwendigsten Sachen und begaben uns an den Trebuser See. Dort angekommen, sahen wir, dass ein Unterkommen in den verlassenen Schützengräben und Bunkern der Armee keinen Schutz bot. Gegen Einbruch der Dunkelheit waren wir wieder zu Hause.

In der Zwischenzeit hatten sich liebe Mitmenschen an unsrem Hab und Gut zu Hause zu schaffen gemacht.

Wir richteten uns im Keller ein und warteten auf die Dinge, die da kamen. Es kam eine Gruppe von Kindern, angeführt von einem älteren Volkssturmmann, mit Panzerfäusten bewaffnet, die die Straße verteidigen wollten. Meine Mutter redete auf sie ein, die anderen Frauen unterstützten sie und zwangen den Mann mit den Kindern die Panzerfäuste in die Straßengräben gegenüber dem Umspannwerk zu legen


29.Bericht Ewald These . Ewald These ,Jahrgang 1908, wohnte Irisweg 28 in Ausbau West. War Altkommunist. Erinnerungen im Stadtmuseum archiviert.

Als ich am 16.4.1945 in meinem Wohnbezirk ankam, war ich ganz schön überrascht, als ich sah, dass es nur so von N.S.(?) Sanitätern wimmelte.(Wahrscheinlich SS-Sanitäter d.Verf.) War ich doch illegal von meiner Arbeitsstelle nach Fürstenwalde zurückgekehrt. Ich musste in dem Erdbunker , den ich mir unter meiner Wohnung angelegt hatte, untertauchen.


30.Bericht Eva Lobermeier

Frau Eva Lobermeier , Jahrgang 1924 , hat ihren Bericht 1995 über ihren Schwiegersohn, Herrn Dr.Volker Kanitz ,an die Bibliothek des St.Mariendoms übergeben.

Montag, 16.April 1945. Frühmorgens um 4.00 Uhr Trommelfeuer. Es dauerte zwei Stunden lang. Die Front bei Küstrin ist durchbrochen worden. Ich zog mich an, denn ich musste ja um 7 Uhr bei Pintsch. Sein. Unterwegs wurde mir klar, das nun auch für uns die Stunde geschlagen hatte, denn sämtliche Volkssturmaufgebote mussten feldmarschmäßig antreten. Wir besaßen ja nur noch das 2.,3. und 4. Aufgebot , denn das 1.Aufgebot kam damals, es war der 14.Januar , nach Meseritz und ist von dort nicht zurück gekommen. Ich wollte gerade anfangen zu arbeiten, als die 5-Minuten-Sirene ertönte, das Zeichen, der Volkssturm muss die Stellungen beziehen .Das Gehen wurde uns durch die Tiefflieger sehr erschwert .Es waren nicht nur 3 oder 4, wie an den Tagen zuvor, sondern mindestens an 30 . So kam ich dann endlich nach Hause. Im Moment war man sehr aufgeregt, sodass man nicht recht wusste , was man machen sollte. So legte ich mich in die Sonne, konnte aber nie lange liegen bleiben, denn die Tiefflieger waren zu toll. So wurde es Mittag und da erlebten wir unseren ersten Terrorangriff. Es fielen Bomben in der Nähe der Bahn und es wurde ein Munitionszug getroffen, was sich natürlich sehr schwer auswirkte und auch viele tote Soldaten brachte. Am Nachmittag ging ich mit Mutti ein Stück spazieren, d.h. wir sahen uns den Schaden an. Hierzu muss ich nun noch sagen, dass es seit Mittag kein Licht mehr gab, auch kein Wasser. Infolgedessen konnte auch kein Fliegeralarm mehr gegeben werden.

Ich war gerade beim Grasnickbrunnen , als es zu krachen anfing Im Moment wusste ich nicht, was los war und guckte nach dem Himmel, aber Flugzeuge sah ich nicht gleich. Nun schlug es schon überall ein und ich nahm meine Beine in die Hand und wetzte nach Hause. Zu Haus waren natürlich alle in Aufregung. Zwei Stunden lang dauerte dieser Bombenangriff. Mitten im Angriff ging ich mit Mutti in die Wohnung und wir holten die Betten zum Keller, ebenso mussten wir die Gardinen abreißen, denn das Nebenhaus stand in Flammen und die Funken kamen zu uns in die Wohnung. Während wir nun die Gardinen abnahmen, schlug es ein paar Mal ganz in unserer Nähe Meine Mutter hatte nun noch den Kellerschlüssel verlegt, sodass wir nicht einmal in unseren Keller hinunter konnten. Ich fand ihn nachher aber in unserer Schlafstube. Als der Angriff vorüber war, ging es sofort zum Loschen. Mit Hilfe von Wehrmachtssoldaten konnte der Brand zwar gelöscht werden , aber das dreistöckige Haus ist bis zum Parterre ausgebrannt. Wir konnten aber Schlimmeres verhindern und die Nebenhäuser vor dem entsetzlichen Feuer retten.


31.Mitteilung Gerda Schäfer

Frau Gerda Schäfer, Jahrgang 1927, Jahnstr. 8 , Erzieherin wohnte 1945 im Eisenbahnerhaus am Bahnhof. Der Vater war Fahrdienstleiter. Pers. Mitteilung an den Verfasser.

Am 16.4. hörte ich frühmorgens das Grollen des Artilleriefeuers an der Front. Gegen Mittag war dann eine starke Explosion zu hören. Mein Vater brachte die Nachricht, dass ein Munitionszug explodiert sei. Als der nächtliche schwere Bombenangriff vorbei war , meldete ich mich freiwillig bei der Einsatzleitung in der Herrenstraße. Ich war BDM-Gruppenführerin und glaubte, dass ich mich zur Verfügung stellen müsse, weil offensichtlich viele Leute in Not waren. Ich wurde gefragt, ob ich den Mut hätte, mit dem Fahrrad zum Flugplatz zu fahren, um die dortige Feuerwehr zum Hilfseinsatz nach Fürstenwalde aufzufordern. Da alles sehr finster war, denn es galt ja das Verdunkelungsgebot, fuhr ich unter großer Angst zum Fliegerhorst und alarmierte die dortige Feuerwehr. Unterwegs hörte ich öfter fremde Sprachen , denn es waren offenbar sog. Fremdarbeiter unterwegs , die sich selbstständig gemacht hatten . Das jagte mir noch mehr Schrecken ein. Die Straßen waren durch Steine und umgestürzte Bäume bei der Dunkelheit sehr gefährlich.


32.Bericht Heinz Kreutzarek

Herr Heinz Kreutzarek, Jahrgang 1932 , wohnte 1945 in der Hermann Löns Str. (heute Erich Weinert Str.)Persönl.Mitteilung an Verf. Im Jahre 2000 erschien sein Bericht in“Geschichten, die das Leben schrieb“Herausgeber Ortsvorstand des BRH Fürstenwalde

(Auszug) Am Abend des 16.April 1945 kam die Frau eines Arbeitskollegen meines Vaters zu uns und wollte ihren Mann on der Arbeit wegen Krankheit entschuldigen. Als ich sie ins Haus begleitete, sah ich vom Osten her kommend nur noch einen schwarzen Himmel. Es waren Flugzeuge, die uns in Angst und Schrecken versetzten und uns die volle Härte des Krieges spüren ließen. So schnell, wie an diesem Abend, sind wir noch nie in den Keller gekommen. Elektrisches Licht gab es nach den ersten Bombenabwürfen nicht mehr. Mein Vater zündete eine Kerze im Keller an, die aber ständig auszugehen drohte. Viele Fensterscheiben waren durch die Bomben , die in unmittelbarer Nähe gefallen waren , zerstört. Unser Haus geriet ins Wanken, es schaukelte förmlich und einige Wände bekamen Risse. Die Wucht der Zerstörungen wollte kein Ende nehmen. Als es etwa ruhiger wurde, war mein Vater der Erste, der rausschaute und uns im .Keller über alle Schäden informierte. Die Rat- und Fassungslosigkeit war auch für mich 13-jährigen sehr groß.




33. Mitteilung Günter Mord

Herr Günter Mord , Jahrgang 1922 ,wohnhaft damals und heute Mühlenstraße ,Ecke Schlossstraße (Mord`s Eck) gelernter Werkzeugmacher und Lehrenbauer, Brauereifachmann. Pers Mitteilung an den Verf.

Ich betrachte es als Schicksalsfügung, dass ich im März 1944 als Artillerist an der Kanalfront wegen meines Berufs zu der geheimen Produktion des 2-strahligen Jagdflugzeuges ME 262 in ein Werk im Ruhrgebiet abgeordnet wurde. Im Zuge der Produktionsverlegung von Wuppertal nach Kahla ergab sich aus dem Vormarsch der Alliierten an allen Fronten, dass ich nach abenteuerlicher Fahrt, z.T. auf Güterzügen , ausgerechnet am 16.April 1945 in meine Heimatstadt Fürstenwalde zurück kam. Ich war in Zivil, besaß aber einen Ausweis aus dem erwähnten Geheimkommando , der mich vor militärischem Einsatz schützte, was geschah, als ich einmal fast von dem „General Heldenklau“ genannten Kommando vereinnahmt wurde , das alle Soldaten, die sich nicht bei ihrer Einheit befanden, in sog. Alarmeinheiten zum sofortigen Fronteinsatz brachte. Mein Vater als Wehrführer der Fürstenwalder freiwilligen Feuerwehr war voll im Einsatz , als ich –für die Familie völlig unerwartet - eintraf . Sie glaubten, dass ich westlicher Kriegsgefangenschaft geraten sei. Ich erlebte so Teile der Einsätze der Feuerwehr mit, wenn ich mich auch sehr zurück hielt , um nicht irgendwelchen Wehrmachts- oder SS-Offizieren in die Hände zu fallen, die damals jeden männlichen Erwachsenen , der nicht bei seiner militärischen Einheit war, als Deserteur ansahen und ihn den Standgerichten überliefern konnten.


34. Bericht Ing. Gernot Jauernik , Mozartstr. 38 , A-5280 Braunau am Inn

Gernot Jauernik übersandte mir am 26.6.07 die Aufzeichnungen seines verstorbenen Vaters Ernst Jauernik , eines Österreichers, geb. 09.01.1900 verst. 04.11.1984 , der am 11.September 1944 – wahrscheinlich freiwillig , 44-jährig und Familienvater – zur Waffen SS „einrückte“ und seit Mitte Oktober 1944 zur Bewachungsmannschaft der Außenstelle „Fuchsbau“ des KZ Sachsenhausen in Ketschendorf gehörte . Aus den Aufzeichnungen ergibt sich , dass Ernst Jauernik seit 1930 überzeugter Anhänger und seit 1932 Mitglied der NSDAP war, der auch noch am 20.4.1945 den Geburtstag seines ebenfalls aus Braunau am Inn stammenden „Führers“ feierte.

Am 16.April 1945 gab es für Fürstenwalde und die Umgebung Fliegeralarm. Und zwar kam an diesem Tage die Stadt dran, erst am Tag und dann gleich in der folgenden Nacht. Und das wiederholte sich nun recht oft. Nie aber fiel eine Bombe auf unser Lager, obwohl es eine militärische Anlage war. Wie wir, und zwar mit Recht vermuteten, hatten wir einen ganz besonderen Schutz, nämlich das neben uns liegende Konzentrationslager , und dessen Menschen wollte man offensichtlich nicht gefährden. Wir hatten uns zwar Luftschutzgräben gebaut, doch hätten uns diese höchstens gegen Bomben-Splitter, nicht aber gegen die Bomben selbst geschützt. Wären Bomben auf unser Lager gefallen, wäre wohl von diesem und uns nichts mehr übrig geblieben.

(Kommentar des Verf.: Da die Autobahn , die zwischen dem KZ-Außenlager und der Stadt Fürstenwalde verläuft , die Trennungslinie zwischen den beiden Angriffsgruppen der Roten Armee , der 69. und 33. Armee, war , wie aus der „Aufgabenstellung“ des Oberkommandos der Sowjettruppen hervorgeht , die in der Einleitung als Kopie wiedergegeben ist, wurde dies auch von den Fliegerverbänden der 69. Shukow-Armee bei den Bombenabwürfen streng beachtet .

So konnten wir den „Feuerzauber“ über Fürstenwalde aus nur 3 km Entfernung beobachten und bekamen so einen ungefähren Begriff, wie es in Berlin und anderen Städten aussehen wird.


36.Tagebuch Pfarrer Sperling 16.April 1945 , Montag

Gegen 4.00 wurden wir durch das Trommelfeuer der Russen geweckt. Ein und eine halbe Stunde ging es in immer zunehmenden Maße fort. Noch nie hat unser Haus so gezittert. Lichtleitung und Telefonverbindung sind anscheinend getroffen. Jetzt, um 7.15 Uhr ist es immer noch lebhaft. Es scheinen unsere Gegenangriffe im Gang zu sein. Die Flieger sehr tätig. Noch weiß man nichts Näheres! Es ist alles im Gang. Wir sind sofort aus den Betten und haben für den eventuellen Aufbruch alles gerichtet , - und falten still und lang die Hände. Gott helfe, die Front hier zu halten. Man spricht davon, was durchaus plausibel ist, daß unsere Feinde im Osten und im Westen sich am 20.4. – am Führergeburtstag – in Berlin treffen wollen…. Während ich hier schreibe, erschüttern gewaltige Schläge das ganze Haus. Unsere Flieger oder der Russe ?! Der Tag ist sonnenklar, die Temperatur am Morgen 4*. Mittags hören wir, daß der Russe in seinem alten Eck zwischen Reitwein und Lebus mit 8 Panzern durchgebrochen sei, die abgeschossen wurden: Die Lage ist gespannt. Wir bereiten alles zum Aufbruch vor. Frau v.Massow ( Gutsbesitzerfamilie in Demnitz) holt unsere Koffer ab, nimmt sie mit auf ihren Treckwagen. Gefahren wird natürlich nur im Falle der unumgänglichen Räumung. Ich verpacke die silbernen Altargeräte, Tauf- und Abendsmahlgefäße in eine Kiste, ebenfalls unser Silber und vergrabe sie im Garten . Die Kirchenbücher werden auf besondere Anordnung in der Kirche im Pfarrstand , unter der Bank, neben der Kanzeltreppe abgestellt. Die Front rumort weiter, die Luft ist unheimlich bewegt. Luftkämpfe. Ein russischer Bomberverband überfliegt uns verhältnismäßig tief. Plötzlich fallen Bomben . Es gilt dem Flugplatz in Neuendorf. Das Haus zittert in allen Fugen. In Steinhöfel sollen Papes und ebenso Sydows Wirtschaft getroffen sein. Will, wenn die Luft sauberer, hinüber. Man sitzt wie auf einem Pulverfaß. Der heutige Morgen war doch jedenfalls erst der Auftakt, dauernd Fliegerbeschuß , Luftkämpfe und fallende Bomben. Was werden die nächsten Tage bringen ? Ob unser gutes Demnitz besagten 20.4. überdauert ? Die Front ist unheimlich nahe gerückt. In der Luft ist sie da ! Und auf der Erde müssen wir rechnen ,daß der durchbrechende Feind uns mitten in die Front hineinreißt. - (wenn auch der Angriff heute morgen abgeschlagen und zunächst kein Grund zur Beunruhigung vorliegen soll !! ) Ein Morgen wie der heutige ist Beunruhigung genug ! Wir sitzen ohne Licht und Strom: kein Radio, kein Heeresbericht. Dazu ganz ungewohnt: unser Haus ohne Soldaten . Bei dem anhaltenden Trommelfeuer wurde das Geschäftszimmer mit seinen Anlagen sofort abgebaut. Alarmstufe I . Die Leute aus dem Brigadegefechtsstand, unsere Pioniere mit Leutnant Lingen, abgerückt zur Besetzung der Panzersperre im Wald nach Falkenberg. Höchste Alarmstufe. Auch unsere noch in Demnitz befindlichen Volkssturmmänner , 2. und 4. Aufgebot, sind früh um 8.00 Uhr nach Fürstenwalde abgerückt.

Abends 7.00 Uhr. Zurück von Steinhöfel. Der Luftangriff früh um 8.00 Uhr galt Steinhöfel. Papes Hof Volltreffer. Sein alter 70-jähriger Kutscher, der am kommenden Donnerstag 25 Jahre bei ihm gewesen wäre, tot. -war als einziger im Keller. Mehrere Stück Vieh Verlust. Bei Frau Sydow nebenan 2 kleine Bomben ins Wohnhaus. Gnädigste Bewahrung der Einwohner selbst. Vor dem Türeingang der Kirche großer Trichter, die massive alte Holztür völlig zerschlagen, ebenso die Tür zum Glockenturm. Das Dach des Turms an dieser Seite abgedeckt. Ein Meter nur, und es hätte den Turm getroffen. Ich steige hinaus in den Glockenstuhl. Dort alles gottlob heil, die Glocken hängen, das alte Gebälk hat die Erschütterung ausgehalten. Bei Peine (Besitzer des Gutes Steinhöfel)ist die Orangerie in der Gärtnerei dem Erdboden gleichgemacht. Auch rings um das Schloß im Park viele Einschläge. Das Schloß selbst nur Scheibenschäden. 2 Soldaten des dortigen Leichtkrankenlazaretts sind tot. Einen davon und den alten Kutscher werde ich morgen Nachmittag beerdigen.

Am Abend erleben wir zum ersten Mal einen Terrorangriff der Russen auf unsere Gegend. Von ½ 9 Uhr bis ¾ 11 sitzen wir mit unseren Sachsendorfern, Trudchen und ihrem Günter, im Keller. Es sind schwerste Stunden , die wir unter dem unaufhörlichen Bombenhagel verbringen, Stunden, die wir nicht vergessen werden ,-Stunden des Gebets. Gott hat uns gnädig hindurchgeführt. Wieder durften wir es erleben: „Von allen Seiten umgibst Du mich“.

Noch wissen wir nichts Näheres. Demnitz blieb verschont, aber Fürstenwalde, Berkenbrück, Steinhöfel ?Auch in Richtung Wilmersdorf Feuerschein. Der Mond ist von dem Qualm der Brände ringsum wie mit einem dunklen Schleier verhüllt. Die Luft von Brandgeruch erfüllt. Was wird man aus einigen Gemeinden hören ?

Und von allen einem nahestehenden Menschen ? Frau Oberstleutnant v. Massow in Fürstenwalde, Frau Landrat v. Massow im Krankenhaus ,Superintendent Hildebrand, Buchhändler Lüttmann , Purps ?!.

Was wird der morgige Tag bringen? Vermutlich war dieses doch erst der Auftakt zur Sturmreifmachung des Gürtels um Berlin. Werden wir noch einmal gnädig gehütet werden ?- Wir gehen um ¾ 12 hinaus und legen uns angezogen in die Betten.


37.Bericht Bertold Pavel

Zur Person: Bertold Pavel (1933 bis 1997) ,Sohn des 1940 verstorbenen ehem. Rektors der Volksschule Rauen , verlor 1945 auch seine Mutter, die nach der Eroberung Fürstenwaldes durch die russische Geheimpolizei wegen Mitgliedschaft in der NS-Frauenschaft inhaftiert wurde und im Internierungslager Ketschendorf verstarb. Eine Tante kümmerte sich mehr schlecht als recht um den 12-jährigen Vollwaisen , der zunächst nach Kriegsende die ab Oktober 1945 wieder eingerichtete Erweiterte Oberschule besuchte. 1950 , weil er, auf sich allein gestellt , keine Zukunft in einem weiteren Schulbesuch sah , begann er eine Offizierslaufbahn in der Kasernierten Volkspolizei , der Vorläuferin der Nationalen Volksarmee der DDR. Er war längere Jahre Offizier der Pioniertruppen der NVA, ging danach in den 80 er Jahren in die volkseigene Wirtschaft und leitete in Brandenburg(Havel) ein Getriebewerk. Nach der Wende wurde er im Auftrage eines in Friedrichshafen (Bodensee) ansässigen Konzerns, der das Brandenburger Getriebewerk übernommen hatte , dessen Geschäftsführer. In einem Zeitungsnachruf auf seine frühen Tod wird ihm bescheinigt, daß er die Entwicklung des Getriebebaus in der Stadt Brandenburg „ maßgeblich durch harte Arbeit und unermüdlichen Einsatz bestimmt“ hat. In seinen in den 90 er Jahren niedergeschriebenen, durchaus lesenswerten Lebenserinnerungen hat er u.a. über die Tage der Eroberung von Fürstenwalde, die er in Ketschendorf, Lessingstraße 4 ,(jetzt Fürstenwalde-Süd ) erlebte , berichtet: (Bertold Pavel erlebte die Apriltage 1945 als 12-Jähriger, schrieb seine Erinnerungen jedoch erst viele Jahre später , wahrscheinlich erst in den 90èr Jahren, nieder. Seine Angaben über das genaue Datum verschiedener damaliger Ereignisse , wie den Brand des Domes oder die Sprengung der Spreebrücke , widersprechen z.T. den Darstellungen anderer Zeitzeugen. Die Schilderung der Ereignisse selbst ,wie sie Bertold Pavel mit großer Intensität erinnert , ist ME völlig authentisch .Ihr Wert wird daher durch die genannten Widersprüchen nicht in irgendeiner Weise gemindert)


Bericht Bertold Pavel

(Er schildert in seinen Berichten über die vorangegangenen Tage zunächst, wer alles sich in der fraglichen Zeit in dem Haus Lessingstr. 4 in Ketschendorf aufhielt: Mutter Pavel, die Hauseigentümerin, mit ihrem Sohn Bertold ,die Mieterin Frau Schubert und 12 andere Personen , die als Flüchtlinge mit verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Familien Pavel oder Schubert hier Unterschlupf gefunden hatten).

Die Anspannung und die Ungewißheit stieg in den folgenden Tagen weiter an, bis die Nacht vom 15. zum 16.April aufzog. Es war noch dunkel, als Willi Wernick uns weckte und aufforderte, das Fenster zu öffnen. Wir hörten ein ununterbrochenes dumpfes Grollen. Weit entfernt und doch deutlich genug, um es wahrzunehmen. „Komm mal mit nach oben“ , sagte er zu mir und wir gingen auf den Boden in das Mansardenzimmer. Von hier konnte man besser über die Häuser in der Chausseestraße (Jetzt Aug. Bebel Str.) blicken und wir sahen einen ganz leicht gelblich-rötlich gefärbten Streifen am östlichen Himmel. „Die Russen haben an der Oder angegriffen „, etwas anderes konnten dieses dumpfe Grollen und der Schein am Horizont nicht bedeuten. Im Hause standen nacheinander alle auf und sahen sich verzagt und ängstlich an. Oma Auguste betete, Hellmut murrte wildes Zeug, alle fragten sich , was wird nun auf uns zukommen. Der Tag brach an und das beginnende Treiben auf den Straßen überdeckte die Geräusche. Sehr bald wurde es zur Gewißheit: seit den frühen Morgenstunden des 16.April hatten die befürchteten Kämpfe im Oderbereich begonnen. Noch hofften wir in den ersten ein bis zwei Tagen, daß die russischen Angriffe abgeschlagen werden - aber die spärlichen Nachrichten aus den Wehrmachtsberichten ließen diese letzten Hoffnungen bald zusammenbrechen. Wann wird die Front Fürstenwalde erreichen? Bleiben wir zu Hause oder flüchten wir? Was wird aus uns, wenn die Russen da sind ? Die Gespräche in den Familien drehten sich meist um diese Hauptfragen. Oma Auguste wollte nicht mehr weiterziehen; auch Langes, Willi Wernickes Schwiegereltern, waren derselben Meinung. Willi Wernicke meinte:“bleiben wir am Leben, geht es bestimmt irgendwie weiter und Bäcker wird man sicherlich benötigen“. Die meisten unmittelbaren Nachbarn in der Lessingstraße dachten wohl ähnlich und blieben in ihren Häusern. Wo sollte man auch hinflüchten ?Überall gab es Kämpfe, die Amerikaner standen an der Elbe, die russischen Truppen schienen bei ihrer Offensive nicht mehr aufhaltbar zu sein. Die Straßen nach Westen waren sicherlich überfüllt, Autos besaßen wir nicht und wie weit konnten wir schon mit Handwagen, alten Leuten und einer 6-jährigen kommen ? Boten kleine Dörfer , die wir eventuell erreichen würden, mehr Sicherheit als die Lessingstraße 4 ? Wer sollte uns denn aufnehmen? Nur in Rauen hatten wir gute Bekannte und zu was konnte dies noch gut sein - „Wir bleiben hier, wir haben ja nichts verbrochen und den Russeneinmarsch werden wir schon überleben“. So oder ähnlich lauteten die Kommentare am Ende der Gespräche. Nur die Cousine der Frau Schubert hielt nicht viel davon und ging um den 20.April gen Westen. Sie hatte sich noch am Vortag mit Offizieren einer SS-Einheit angefreundet, im Garten feucht-fröhlich gefeiert und wahrscheinlich für ihr Vorhaben Unterstützung gefunden.


38.Mitteilung Eberhard Kuhn

Eberhard Kuhn , Bad Saarow , Jahrgang 1932 , besuchte seit 1942 das Fürstenwalder Gymnasium. Wohnte 1945 in Rauen , wurde später Bauingenieur und Kreisbaudirektor des Kreises Fürstenwalde .Jetzt Altersrentner.

An den 16.4.1945 erinnere ich mich noch genau. Es war ein lang anhaltendes dumpfes Grollen aus dem Osten zu hören. Ich war mit anderen Jungen auf der Straße zur Rauen`schen Ziegelei , als wir einen Schuß eines Flakgeschützes hörten. Aus einem getroffenen Flugzeug „stiegen“ zwei Besatzungsmitglieder aus und fielen ohne Fallschirme zur Erde. Ein russischer Doppeldecker kam und warf mit Klamotten (Steinen) auf Passanten. Zu dieser Zeit gab es Vierlings-Flakgeschütze an der Mars-la-Tour-Kaserne und eine 8.8 cm Flakbatterie hinter der Gärtnerei Wilhelm in der Siedlung „Eigene Scholle“.


39.Mitteilung Margot Weger

Frau Margot Weger ,Jahrgang 1937, jetzt in Frankfurt(O) wohnend , lebte 1945 in der Grenzstraße –Rauener Stadtberg. Nach der Lektüre des Heftes „Ich sah den Dom brennen“ faßte sie den Entschluß, für ihre Nachkommen aufzuschreiben, woran sie sich - die damals noch keine 8 Jahre alt war – erinnern kann. Sie überließ mir im Januar 2008 den Teil ihrer Niederschrift, der sich mit den Tagen im April 1945 beschäftigt, die Gegenstand dieser Arbeit sind:

Meine Erlebnisse in der schicksalhaften Zeit ab dem 16.April 1945.Zu diesem Zeitpunkt zählte ich noch keine 8 Jahre. Der Krieg neigte sich dem Ende zu. Wir lebten in einem Siedlungshaus am Unteren Stadtberg. Es war Montag, der 16. April. Meine Mutter öffnete die Fensterläden und erklärte mir: “Ab heute gehst Du nicht mehr zur Schule“. Ich hörte bereits in der Ferne das Grollen der Geschütze. Denn an diesem frühen Morgen hatte die sowjetische Armee , die seit Wochen an der Oder stand, ihre Offensive über die Seelower Höhen in Richtung Berlin gestartet. Wir hatten nur einen kleinen Keller und wären verpflichtet gewesen, bei größeren Angriffen in einen größeren Keller in unserer Straße zu gehen. Meine Mutter schickte uns, meine Schwester 3 ¾ Jahre alt , und mich im Laufe des Vormittags , das dort im Keller deponierte abzuholen. Bis zum Ziel waren es 5 Grundstücke – nur 100 m. Aber in diesem Moment flogen mächtige Bombengeschwader über unsere Köpfe. Die Nachbarin zog uns in ihren Keller. Meine Mutter wartete voller Angst an unserer Hausecke auf uns.7 Bomben sollen in diesem Moment in unserer Gegend nieder gegangen sein. Noch lange befand sich ein großer Bombentrichter an der Ecke Kurzer Weg/Grenzstraße. Der Gärtner Braun fand nicht sogleich den Schlüssel zu seinem Schuppen, in dem er Schutz suchen wollte. Eine Bombe zerstörte den Schuppen. Am gleichen Tag entschied meine Mutter unser Nachtlager im Keller aufzuschlagen. Ich kann das Bild nicht vergessen, wie sie mit der Liege auf den Schultern im Kellerhals nicht um die Ecke kam. Von nun an schliefen meine Schwester und ich auf der Couch und meine Mutter auf dem Strohsack davor. In diesen Tagen erinnere ich mich nicht an meinen Vater . Er war noch bei Pintsch beschäftigt oder schon zum Volkssturm verpflichtet. Zu dieser Zeit wurden die Flakgeschütze der deutschen Wehrmacht zur Verteidigung der Stadt in der Wolfsschlucht und auf dem Stadtberg aufgebaut. (Diese dienten uns nach dem Ende des Krieges als Karussel !)


40.Bericht eines unbekannten Autors (Theologe ?)

Im Archiv des Stadtmuseums Fürstenwalde befindet sich in dem Ordner „Persönlichkeiten 3 „ unter dem Stichwort „Seyfarth“ in einem Konvolut ungeordneter Schriftstücke und handschriftlicher Aufzeichnungen

(z.B. über die Liquidation der „Johannis-Loge zum rauhen Stein“ der Freimaurer im Jahre 1935) 

auch ein 3-Seiten starkes maschinenschriftliches Manuskript mit der Überschrift „Dom und Dom-Notkirche 1945 -1950“ , undatiert und ohne Angabe des Autors. Es ist zu vermuten , daß ein Theologe aus dem näheren Umfeld der St.Marien-Domgemeinde den Text verfaßt hat , weil viel Insiderwissen berichtet wird.


Am Montag, den 16.April , begann die Schlacht um Berlin. In der Nacht hörte man gewaltigen Geschützdonner von Frankfurt(Oder) her. Zwischen 3 und 4 Uhr setzte ein heftiges Trommelfeuer ein und von 5 Uhr an folgte Alarm auf Alarm; es war eine fürchterliche Nacht. Die russische Heeresgruppe Shukow hatte zu einem starken Stoß angesetzt, unterstützt von zahlreichen Luftstreitkräften. Von Küstrin her wurden die Seelower Höhen genommen, mit der Widerstandskraft unserer Truppen war es vorbei. Es begann der Kampf um Fürstenwalde , das noch voller Truppen war und sich beschleunigt in Verteidigungszustand setzte. Am frühen Abend begann ein heftiger Angriff der sowjetischen Luftwaffe auf die Stadt, besonders durch Tiefflieger, wodurch erhebliche Zerstörungen angerichtet wurden. Viele Häuser gingen in Flammen auf. Die Flieger kamen bis in die Gegend von Friedrichshagen, um von dort aus auf dem Rückweg die Stadt Fürstenwalde nochmals unter Bomben zu nehmen.


41.Bericht Jürgen Wagner

Der aus gesundheitlichen Gründen überwiegend in Mallorca lebende Jürgen Wagner hat 1953 an der EOS Fürstenwalde das Abitur abgelegt.Er wohnte mit seinen Eltern im damaligen Ketschendorf in der Langewahler Straße. Seit 1961 lebt er ständig im Westteil Berlins , nachdem er vorher zwischen Ost und West pendelte.Tätig war er als in der TU Berlin Er verfaßte 2007 einen Lebensbericht, der mir Ende September 2008 zuging. Daraus werden die Schilderungen der Apriltage 1945 in Fürstenwalde zitiert.

Alles verlief ganz normal. Spiel und Schule. Bis zum 16. April. Panzeralarm. Die Sirenen heulten langanhaltend auf und ab. Auf dem Rückweg vom Milchholen von Milchschulze in der Chausseestraße – wir waren gerade am Heuweg – fielen die ersten Bomben, die von sowjetischen Frontbombergeschwadern abgeworfen wurden. Wir, mein Bruder und ich, warfen uns flach auf den Boden, den Kopf mit den Armen geschützt. Als wir aufsahen merkten wir, dass die meisten Rauchpilze der Bombeneinschläge entlang der Spree aus den Fabriken aufstiegen. Einige Zentimeter neben meinem Kopf lag ein größerer Bombensplitter. Der Tod war vorbei gefallen. Am nächsten Tag sahen wir auch einen riesigen Bombentrichter direkt vor dem Milchgeschäft. In der folgenden Nacht fielen die Bomben Stunde um Stunde wobei wir die ganze Zeit im Keller verbrachten und uns heulend und betend unter die Bettgestelle verkrochen. Das Haus wackelte mehrmals, so dass wir glaubten, wir würden getroffen. Am trüben Vormittag sahen wir wie viele Menschen um einen auf der Brache hinter dem Haus liegenden abgeschossenen russischen Fliegerpiloten standen. Er war tot. „Schöner Kerl „ und „Prima Lederjacke“ waren einige Kommentare.


42. Bericht Johannes Marquardt

Ingenieur bei der Pintsch AG geb. 1883

Montag, d. 16.04.45 _._. Nach dem Verlust von Küstrin hatte sich an dem Fürstenwalde bedrohenden Teil der Ostfront nichts Wesentliches ereignet. Bei Frankfurt stand die Rote Armee immer noch auf dem Ostufer der Oder; doch hat- te sie nord- und auch südwärts der Stadt Brückenköpfe auf dem Westufer gebildet, ohne dass es unseren Truppen gelungen war, diese zu beseitigen; immerhin kehrten Landleute in die unmittelbar durch unsere Front geschützten Ortschaften zurück. Unsere Verteidigung wurde laufend verstärkt; es entstanden neben zahlreichen Pan- zersperren auch Panzergräben und andere Sperren und Verhaue, so u. a. in der Müncheberger, der Frankfurter Str., am alten Schützenplatz hinter dem Kapitol, am Eingang zum Schweinemarkt, in der Parkstr. und am Stadtpark, in der R. v. Massow- Str. sogar zwei, eine davon mit längs anschließendem Panzergraben quer durch den Park. Die Spreebrücke erhält Sprengladungen usw. Häufig erhielt auch die Stadt Besuch von russischen Fliegern, die aber keinen Scha- den anrichteten. Dann am Morgen, d. 16.04., Vi 5 Uhr, setzte ein sehr starkes Dröhnen, das sich als Artillerie-Trommelfeuer entpuppte, ein und bis 8.00 Uhr dauerte, so dass man mit Beginn eines neuen Angriffes rechnen musste. Optimisten glaubten, dass unsere Truppen die Angreifer wären, was sich in der Folge leider als großer Irrtum erwies. Die Rote Armee hatte zu einem schweren Schlag angesetzt. Bald darauf bekamen wir Fürstenwalder die Schrecken des Krieges zu spüren. Früh, V2 8.00 Uhr gab es Luftalarm. Es fielen mehrfach Bomben; gegen Mittag be- suchte uns Gerda. Als wir sie ein Stück die Viktoriastraße hinunter begleiteten, er- folgte erneuter Bombenabwurf; wie sich dann herausstellte, waren auf dem Güter- bahnhof der Kleinbahn eine Reihe von Wagen mit Munition getroffen worden. Die Munitionen der brennenden Wagen gingen in stundenlangen Detonationen hoch und richteten in der näheren Umgebung, wie z. B. in der Clausiusstraße bei Burmeis- ters, Fensterschäden an. Ferner waren ein paar Hundert unserer Truppen auf dem Hauptgüterbahnhof ange- griffen worden und es soll zahlreiche Verwundete und Tote gegeben haben.

Hertha begleitete ich zu ihrer Dienststelle, da ergab es sich, dass auf dem Hof dersel- ben (i. d. Domstraße) eine Bombe eingeschlagen hatte, welche einen Krater von 12 m Durchmesser und 5 m Tiefe erzeugt hatte. Ich hatte mich vormittags noch bei Pintsch gemeldet (Pförtner Dähne), es wurde in den Büros aber nicht gearbeitet. Abends gegen 21.00 Uhr sahen Hertha und ich aus dem Schlafzimmerfenster und ge- nossen die herrliche Stille nach dem aufregenden Tag. Da ertönten ganz unvermutet und ohne, dass wir anfliegende Flugzeuge bemerkt hätten und ohne Luftalarm erneut Bomben-Detonationen in solcher Nähe, dass wir schnellstens in den Keller flüchteten, wo sich alsbald die Hausgemeinschaft zusam- menfand. Nun setzte ein vielstündiger Bombenfall ein, wie wir ihn bisher nur aus Schilderungen kannten, nun aber selbst erleben mussten. Eine der ersten Bomben hatte alle Kellerfenster eingedrückt, so dass wir bei jeder neuen Bombe neben der Erschütterung auch noch den Luftdruck zu spüren bekamen; dazu leuchtete es plötz- lich durchs Kellerfenster auf der Straße hell auf, so dass wir schon einen Brand im Haus befürchteten. In einer Pause zwischen zwei Angriffswellen wurde dann festgestellt, dass eine Bom- be, 2 m von unserem Haus entfernt, die Straßengasleitung angeschlagen hatte, so dass aus dem Bombentrichter eine hohe Leuchtgasfackel herausbrannte, welche den nachfolgenden Fliegern ein gutes Ziel bot; erst stundenlage Bemühungen der Männer und schließlich dazu auch noch der Frauen der Hausgemeinschaft konnten die Flam- men durch Aufwerfen von Sand und Pflastersteinen zum Erlöschen bringen. Inzwischen kam Frau Dr. Bischoff mit der traurigen Nachricht, dass das Bäcker- Woldtsche Haus, Friedrichstraße, in dem sie wohnte, in Trümmern läge und darin ihr jüngstes Kind begraben sei.

Um 2.00 Uhr nachts war endlich dieser furchtbare Angriff vorbei; unser Haus stand zwar, hatte aber Schaden an der Vorderfront und alle Scheiben dieser Seite waren herausgedrückt, Fensterläden, Balkone, beide Haustüren beschädigt, desgleichen verschiedene Wohnungstüren.

Wir machten uns noch nachts auf, um nach unseren Angehörigen zu sehen. Ringsum war der Himme! von Bränden rot. Zuerst zur R. v. Massow-Straße. Schmidts Haus stand und schien wenig Schaden ge- litten zu haben. Dann zur Clausiusstraße. Dort stand das Haus, in dem die Eltern wohnten in hellen Flammen von oben bis unten. Wir suchten und fanden schließlich die Eltern im Luftschutzkeller von Maler Britzke, wo sie ganz erschüttert und ver- schüchtert mit dem Wenigen ihrer geretteten Habe saßen. Sie hatten durch einen Mauerdurchbruch sich ins Nachbarhaus und von dort ins Freie retten können. Natürlich nahmen wir sie sofort mit zu uns. Am Morgen konnten wir für sie noch zwei Koffer und einige Kleidungsstücke bei Britzkes sicherstellen, welche Soldaten, die mit im Luftschutzkeller gewesen waren, aus dem brennenden Keller herausgeholt hatten. (Am Donnerstag siedelten dann die Eltern in Schmidts Wohnung über, damit beide ein Bett hatten und Vater nicht, wie bei uns, auf einer Matratze am Boden zu schla- fen brauchte.)


44.Bericht Otto Burmeister Lokomotivführer i.R. Jahrgang 1868

Das Haus Clausiusstr.4 a ist abgebrannt. Vorübergehend bei Britzke gegenüber im Luftschutzkeller.Hertha und Hans holen uns zu ihrer Wohnung.Zwei Nächte dort geschlafen.Dann in die Massowstr. umgezogen.


45. Bericht Prof. Dr. Jürgen Hofmann

Trümmer,Hunger und wie weiter?  Fürstenwalde 1945

in Broschüre :“Hoffnung inmitten von Ruinen?“ Herausgeber :Berlin-Brandenburger Bildungswerk e.V. 1996 (Berichtigung verschiedener fehlerhaften Angaben durch mich.)

(Auszug) „16.April 1945 in den frühen Morgenstunden. Der Stadt Fürstenwalde nähern sich Bomberverbände. Fürstenwalde gehört zum äußeren Verteidigungsgürtel des tief gestaffelten Verteidigungssystems für die Reichshauptstadt

(Fürstenwalde gehörte zum 2.Verteidigungsgürte der Oderfrontl)

und wird somit auch zum Zielpunkt der Artillerie- und Luftvorbereitung ,

( Fürstenwalde war nicht Zielpunkt der Artillerievorbereitung)

die den tagelangen, verlustreichen Sturm auf die Seelower Höhen einleitet. In mehreren Wellen wird Fürstenwalde bombardiert. Ein abgestellter Munitionszug explodiert. Häuser und Straßenzüge sinken in Trümmer. Auch der Dom wird getroffen und brennt aus.

(Der Brand des Domes erfolgte in mehreren Etappen: Erst brannte der Turm. Dieser wurde zunächst von russischen Tieffliegern beschossen, weil diese alle Kirchtürme angriffen , wegen der Vermutung, dass sich hier Artilleriebeobachter der Wehrmacht aufhalten könnten. Tatsächlich hielt sich in der Spitze des Domes ein militärischer Beobachter auf , der mit einem Maschinengewehr auf die russischen Tiefflieger zurück schoss und dabei wahrscheinlich sein Leben verlor.. )


46 Bericht Gerhardt Brandt

Kirchenältester und Autor von Chroniken zur Geschichte des St.Mariendomes Archiviert im Stadtmuseum Fürstenwalde

417 mal trieb uns der Alarm der Sirenen vom 13.8.1940 an in die Luftschutzkeller. Ganz besonders bekam unser Fürstenwalde den Luftkrieg zu spüren, als mit dem 16.4.1945 die Schlacht um Berlin ihren Anfang nahm. Am frühen Abend begann ein heftiger Angriff der sowj.Luftwaffe – besonders durch Tiefflieger, wodurch erhebliche Zerstörungen angerichtet wurden. Verschiedene Häuser gingen in Flammen auf. Auch fielen die ersten Bomben in den Domturm, der nach kurzer Zeit ebenfalls in Brand geriet. Der Brandherd breitete sich bald auf den Prospekt der Orgel , auf nebenstehendes Gestühl und auf die Turmstube mit der eichhaltigen Quistorp`schen Bücherei. So brannte der Turm vollständig aus und stürzte am 18.4.1945 zwischen 17.30 und 18,00 Uhr bis auf die Höhe der Turmuhren zusammen. Das Getrümmer fiel auf die Domstraße ohne weiteren Schaden oder Unfall an Menschenleben anzurichten. In der Schreckensnacht des 16.4. erfolgte auch die Zerstörung Hauptteilkes unseres Domes durch eine Luftmine, welche in der Nähe des Hauptaltares niederfiel.Dadurch wurden am 19.4. verschiedene Pfeiler, die Deckengewölbe des Schiffes, das Domdach und der größte Teil der östlichen Außenmauern in einen großen Trümmerhaufen verwandelt. Auch die nahestehende Superintendentur wurde in Asche gelegt.

(Einige Gedanken zur Zerstörung des Domes: 8.12.1965. Während des heutigen Richtaktes der St.Marien-Domkirche bat ich Herrn (Bau.Ing.) Otto Hartwig, mir seine Meinung über den vermutlichen Verlauf des Dombrandes zu äußern. Hartwig meinte: Der Gedankengang , daß durch eine Brandbombe oberhalb Schallmauer auch der Turm ausbrannte und folgernd daraus das Kirchenschiff., ist völlig unmöglich. Die Schallmauer mit der dicken eisernen Tür war geschlossen und diese hat bis zur Turmreparatur keine Menschenhand berühren können. Durch eine Brandbombe(bzw.Granate)ist lediglich der Turmhelm mit der Zwiebel ausgebrannt. Nach Meinung von Herrn Hartwig müssen mehrere Brandbomben ins Kirchenschiff gefallen sein, die den Dachstuhl aus alten, dicken und trockenen Holz in Glut brachten , bis die Glut die Bücherei in der Turmstube erfaßte und der Turm mit den hölzernen Hauptpodesten bis oben zur Schallmauer ausbrannte. Nach seiner Meinung sind die ersten Gewölbe am Turm eingebrochen, da dort die größte Hitze war, die Hitze von 3 Emporen, der alten Orgel, der brennenden Bücherei im Turm und die Glut des Daches haben das Gewölbe zerdrückt. Durch das Rutschen der Gewölbe in Richtung Ost wurde am Ende die restlichen Säulen zerbrochen und die Mauer am SO-Bogen eingedrückt. Die Zerstörung des SO-Bogens durch eine Luftmine hält Herr Hartwig für unwahr; diese hätte die Reichshallen, das Dombüro und alle in der Nähe liegenden Gebäude zu Boden gerissen. Zumindest müßte aber bei einem solchen Luftdruck die alte Mauer um die ehm.“Reichshallen“ vernichtet worden sein. Das Schieben der fallenden Gewölbe durch Rutschen gilt als erwiesen. Wie durch ein Wunder rutschten die Gewölbe kurz vor dem Sakramentenhäuschen nach SO ab, sodaß dieses Heiligtum von 1517 wieder mal erhalten blieb.)




47 Bericht Liebrandt

Herr Liebrandt , Angestellter der Fa.Pintsch AG im Jahre 1945 etwa 50 Jahre alt, wohnhaft Eisenbahnstraße , hat den undatierten Bericht: „Erinnerungen eines Volksstürmers“ in den 60 er Jahren verfaßt Archiviert im Stadtmuseum Fürstenwalde. (Datierungen teilweise berichtigt.)

In der Nacht zum 16.April 1945 drang der Lärm .der Schlacht an der Oder bis in die Stadt. Der Feuerschein der Brände im Oderbruch .leuchtete hell am östlichen Himmel. Wir ahnten, daß die Rote Armee die Oder überschritten hatte und den Marsch nach Berlin antrat. Wir ahnten nunmehr auch, daß unserer Heimatstadt das schlimmste bevorstand. In wochenlangen Vorbereitungen war die Stadt mit allen Schikanen in eine Festung verwandelt worden, in der man allen Ernstes glaubte, dem Feind Widerstand bieten zu können. Aber uns allen war klar, was bezweckt wurde. Goebbels schrie täglich über den Äther, dem Feind sollte verbrannte Erde überlassen bleiben. Das Volk sollte rücksichtslos geopfert werden. Am Morgen des 17.April wurde Sturm geläutet, wir mußten antreten zur Verteidigung der Stadt. In Zivil, mit Regenmantel für 35,-M,Koppel und Rucksack ging es los in den Krieg. Wir nahmen Quartier in der Innenstadt in den Kellern der Brauerei und der Schule am Töpfergraben.

Der 22.04.1945


Wehrmachtsbericht des OKW (Auszug)

In Cottbus und Fürstenwalde sind Straßenkämpfe im Gange. Östlich und nördlich Berlin schob sich der Feind in schweren Kämpfen bis an die äußere Verteidigungszone der Reichshauptstadt heran.

Zeitzeugenberichte

Vergebliche Versuche , eine kampflose Übergabe der zur Festung erklärten Stadt zu erreichen.


1. Bericht Willi Zernicke

Ein Versuch , am selben Tag noch die Stadt kampflos zu übergeben, scheiterte. Der bürgerliche Stadtrat Schweiger (Die Nazis hatten ihn, obwohl kein PG , im Amt gelassen, da sie wenigstens einen Fachmann brauchten) , mein Vater und ich waren bis hinter Buchholz gegangen , um mit der Sowjetarmee Verbindung aufzunehmen. Aber nirgends trafen wir auch nur die Spur von einem Sowjetsoldaten. Darauf verschoben wir den Versuch der Übergabe auf den nächsten Tag, aber es sollte anders kommen. In der Nacht vom Freitag zum Sonnabend besetzten die Nazis erneut die Stadt.


2.Bericht Franz Becker: In dem Buch :“Die große Wende in einer kleinen Stadt“1965 ;Herausgeber BL der SED Frankfurt(O) S.20 , teilt der Autor mit:

Rings um die Stadt und besonders in den Einfallstraßen hatten die deutschen Soldaten und Volkssturmmänner zahlreiche Panzersperren errichtet. Eine dieser Panzersperren befand sich in der nach Hangelsberg führenden, damals nach R.v.Massow benannten Straße, in der Nähe der Weberhäuser . Dort erschienen 3 russische Parlamentäre und wollten über die kampflose Übergabe der Stadt verhandeln.

„Die Truppen der Roten Armee hatten den Widerstand auf den Seelower Höhen gebrochen.

Der Krieg war endgültig entschieden. …Folglich mussten Menschen und Städte in diesen letzten Kriegsphase möglichst geschont werden“. Aus solchen Rücksichten schickte das Kommando der Roten Armee , als seine Einheiten vor Fürstenwalde standen , 3 Parlamentäre mit der international anerkannten weißen Fahne zu dem faschistischen Kommandanten. Sie gelangten zunächst unbehelligt bis in die Stadt. Doch dann setzte plötzlich ohne Anruf ein Feuerüberfall ein. Alle 3 Parlamentäre sanken blutüberströmt lautlos zu Boden.“

3.Bericht Richard Schulz In“Quellen:Zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Fürstenwalde 1945/46“ schreibt der Autor R.Schulz 1964: Vor der Panzersperre in der Rüdiger-von-Massow Straße (jetzt Dr.Külz Str.) in der Höhe zum heutigen Gaststätte Spreegarten erschienen drei Parlamentäre mit weißer Flagge und Hornisten, die den Wunsch äußerten, den Festungskommandanten zwecks Übergabeverhandlungen sprechen zu wollen.Als die Parlamentäre, man hatte sie herankommen lassen und mit ihnen gesprochen , das gesagt hatten, wurden auf sie das Feuer eröffnet und die drei niedergeschossen. 4.Bericht Ewald These:

Am Freitag Abend (20.4.45) kam der Dolmetscher erneut zu mir und überbrachte folgenden Auftrag: Ich solle den Einwohnern(des „Heidelandes“) mitteilen, - nach dem das Ultimatum, die Stadt kampflos zu übergeben nicht angenommen und die Parlamentäre an der Straßensperre in Fürstenwalde erschossen wurden - sind alle Vorbereitungen getroffen, die Stadt im Angriff zu nehmen. Es sei ratsam. Für die Bürger, die hier wohnen ,sich in eine weniger gefährdete Zone zu begeben. Da , wo geschossen wird, werden auch befreundete Menschen getroffen. Dieses habe ich, soweit ich Bürger unseres Wohnbezirks erreichen konnte , denen mitgeteilt. Ich selber habe das Nötigste zusammen gepackt und habe am 21.früh Fürstenwalde in Richtung Rauen-Kolpin verlassen. (E.These ist wahrscheinlich über die Schleuse Große Tränke auf das andere Spreeufer gekommen und hat dabei , wie auch immer, die Frontlinie überquert. Anmerkung des Verf.) Die Erschießung der russischen Parlamentäre wird noch von mehreren anderen Zeugen berichtet.

5.Bericht der Arbeitsgebietsleitung der KPD vom 24.9.1945 Verfasser wahrscheinlich der Altkommunist Fritz Perlitz. „Quellen“, S.44 ,Anlage 181 (Ob der Altkommunist Arthur Lebe, wie behauptet ,den „bürgerlichen „Stadtrat Schweiger „beauftragt“ hat, wird selbst von dem Autor der“Quellen“bezweifelt. D.Verf.) 22.4.1945 Es wurde versucht, „die Stadt zu übergeben“,durch den Genossen Arthur Lebe, der den ehemaligen Stadtrat Schweiger beauftragte ,den faschistischen Stadtkommandanten Major Jordan zu veranlassen ,die weiße Fahne zu hissen. Nachdem Schweiger mit sofortiger Erschießung bedroht wurde, gab er seine Bemühungen auf.

Der Angriff auf das Stadtzentrum

1.Bericht Willi Zernicke :

Am sehr späten Abend ( des 21.4) bzw. erst in der Nacht zum 22.April ,also in der Nacht zum Sonntag , begannen die sowjetischen Truppen einen konzentrischen Angriff aus den Hauptrichtungen Trebus, Molkenberg, Neuendorf- Buchholz und Steinhöfel auf den Brückenkopf Fürstenwalde.

Es hielten sich in der Stadt, vornehmlich in den Außenbezirken, nur noch etwa 2000 Menschen auf. Über 26.000 Bürger waren geflohen und kehrten, wenn überhaupt, erst allmählich in den folgenden Wochen und Monaten nach Kriegsende zurück. . Es kam zu Straßenkämpfen in der Nacht, über deren Einzelheiten ich natürlich nichts sagen kann, da man nicht auf die Straße ging, sondern versuchte, sich vom Geschehen fernzuhalten Die Kämpfe hatten sich am 22.April dann bis an die Spree hingezogen , die von den sowjetischen Truppen auch am gleichen Tag überwunden wurde. Die Truppen setzten ihren Vormarsch ohne Pause weiter nach Südwesten fort , umgingen aber die deutschen Stellungen in den Rauener- und Dubrowbergen. …

Die ganze Nacht zum 22.4. war der Kampflärm in den Straßen zu hören. Am Morgen des Sonntags, die Truppen waren bereits aus den Gebieten nördlich der Eisenbahn, wo ich wohnte, weg , lagen in den Straßen viele deutsche gefallene Soldaten , vor allem aber viel Volkssturm. Später sah ich in der Stadt ebenfalls sehr viele Gefallene und tote Pferde, Kriegsmaterial usw. Bei diesen Kämpfen entstand auch weiterer Gebäudeschaden. Diesen anzugeben ist m.E. unmöglich, weil Brände und Schäden durch Kämpfe zeitlich zu dicht aufeinander folgten. Bezeichnend ist aber, dass die im Verlauf dieser Kämpfe auf den Bergen bei Palmnicken-Molkenberg in Stellung gegangenen sowjetischen Salvengeschützen(„Stalinorgeln“) nicht die Stadt beschossen, sondern die Stellungen der Faschisten in den Rauener- und Dubrowbergen; auch Ketschendorf selbst wurde nicht beschossen. . Die sowjetischen Gefallenen waren bzw. wurden noch am Morgen des 22.April von sowjetischen Bergungstrupps von der Straße geschafft

Die Zahl der bei Fürstenwalde gefallenen sowjetischen Soldaten ist ungefähr an der Zahl der Gräber auf dem Ottomar –Geschke- Platz zu erkennen. 

(Die meiste deutsche Artillerie stand übrigens nicht in den Rauener – sondern in den Dubrowbergen, bzw. hinter diesen, als Schutzwall.)

Am 22.5. ,Sonntag , wurde ganz Fürstenwalde –u.m.w. auch Ketschendorf, von sowjetischen Truppen besetzt und blieb es. ( Bezüglich Ketschendorf irrt der Zeitzeuge .d.Verf.)


Irgendwelche neuen Versuche der Faschisten , die Stadt zu erobern, kamen nicht vor. Das zurückkommen der Truppen vor den Straßenkämpfen erkläre ich mir damit, dass auf höheren Befehl ein Brückenkopf am Kanal bzw. der Spree gebildet werden musste , der für die Faschisten die letzte natürliche Verteidigungslinie bildete in Richtung Süden und Südwesten.

Am 22.4.flüchteten auch noch einige Einwohner mit den letzten Truppen über die Spree.

Die Kämpfe an der Spree waren für die Deutschen sehr verlustreich.

Verständlich ist , dass die Rote Armee darauf verzichtete, die militärisch unwichtigen Rauener – und Dubrowberge zu stürmen, als die Front an ihnen vorbeigezogen war. Diese Truppen dort waren nicht so stark, um eine Gefahr zu werden. War es doch vor allem Artillerie usw.

Die Faschisten hielten sich also noch einige Tage  und benutzten dies, um Fürstenwalde zu beschießen. Wenn es auch nur vereinzelte Granaten waren, richteten sie doch Schaden an und beunruhigten die Bevölkerung. So wurden noch etwa am 26. oder 27.4. die damalige große Saalgaststätte „Capitol“ ,Berliner Straße ,getroffen und brannte ab, da zu dieser Zeit einfach nicht die Möglichkeit zum Löschen bestand und ein Löschen auch gefährlich gewesen wäre.

Gegen 15.00 Uhr am 22.4. war die gesamte Stadt bis zur Spree frei. Und ich kam mit sowjetischen Soldaten zum ersten Mal zusammen. Zu irgendwelchen Kontakten kam es aber nicht , ich wollte nur sehen, was von Fürstenwalde übrig geblieben war. Deutsche traf ich nur ganz vereinzelt.

2. Bericht Paul Schulze

(Paul Schulze, geb.1888 , allgemein „Zickenschulze“ genannt, war in der Weimarer Zeit Stadtverordneter für die KPD, wurde aber 1931 als „Trotzkist“ aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen . Bei Befragungen zu dem Zeitraum April 45 in den Jahren 1958 und 1961 durch die Historische Kommission der Kreisleitung der SED wird er als ehem .Genosse bezeichnet. Es wurde wegen dieser Befragung des Ex-Genossen um spezielle Genehmigung bei der Bezirksleitung der SED nachgesucht !)

Fürstenwalde , zumindest die Innenstadt wurde am Sonntag, dem 22.April 1945, durch die sowj.Truppen erobert. Ich wohnte bereits in der Feldstraße 8. Gegen 16.00 Uhr ertönte es in allen Ecken „Hurräh“! Bewaffnete sowjetische Soldaten durchstreiften erstmals die Straßen, suchten nach kaum noch auffindbaren faschistischen Truppen. Von da ab blieb die Stadt in sowjetischen Händen.

Kurz danach klopfte es an das Hoftor zur Straße. Das Tor war verriegelt. Einige sowj. Offiziere traten ein und fragten mich (Gebärden und deutsche Sprachbrocken),warum das Tor nicht offen war. Ich erwiderte, das ich versprengte Waffen-SS hindern wollte, sich u. U., bei mir zu verstecken. Es entspann sich noch ein kurzes und freundschaftliches Gespräch , wobei die Soldaten von mir eine Schachtel aufgesparter Zigaretten dankend in Empfang nahmen. –

So war ich begeistert über die ersten Befreier. Wir trennten uns unter Umarmungen und Freundschaftsbezeugungen, nachdem die Genossen von meiner politischen Vergangenheit einiges erfahren hatten.

Kurz danach (immer noch am 22.4.1945) betrat der zweite Schub Soldaten mein Grundstück, es waren einfache Soldaten und Unteroffizierschargen.

Diese Soldaten, es waren Fronttruppen , noch nicht der berüchtigte Train, zeigten sich gleich von einer etwas anderen Seite:

Es war nötig, dass wir trotz der Ereignisse der damaligen Zeit Wäsche waschen mussten, außerdem, ich will es offen sagen, war ich mir so sicherer, dass meine Wäsche meine Wäsche bleibt. Die Soldaten durchstöberten sofort Grundstück und Haus nach Dingen, die sie als Beute in ihren Besitz bringen wollten. Als sie in die Waschküche kamen und die eingeweichte Wäsche sahen, beschimpfte man mich und meine Familienangehörigen als „Saboteur“, durchstach mit Seitengewehren die nasse Wäsche, um festzustellen, ob auf dem Boden der Wanne etwas verborgen wäre. Als ich ihnen endlich klar machen konnte, dass der durch Einschläge herab gefallene Deckenputz die Wäsche verschmutzt hatte, hörte das Gerede von „Faschist, Bandit, Saboteur und „Bum, Bum !“) endlich auf.

Der Oberste dieser Meute begnügte sich damit, mir die besten, die Sonntagskleidungsstücke, zu stehlen. Ich musste seinen Lakaien spielen und ihm u.a. helfen, folgende Kleidungsstücke zu reichen bzw. anzuziehen: Schuhe, Hut, Strümpfe ,Mantel, Uhr usw. Dann verabschiedeten sich diese Leute auf ihre Art, nachdem sie noch ihre Enttäuschung ausgedrückt hatten, keine Frauen angetroffen zu haben. (Meine Frau Lotte und meine Stieftochter Gerda hatte ich in einem Raum verborgen, der zur Toilette gehörte)

Der dritte Schub am 22.4.1945 bestand aus Soldaten und Offizieren. Mit ihnen fing es zwar etwas laut, aber doch immerhin erträglich an.

In der Stube spielte einer der Soldaten Klavier. 
Einer von den Soldaten sagte unterdessen zu seinen Kumpanen, er wolle meine Ehefrau „sich vornehmen „.und noch vorher, da ich (Paul Schulze) mir das wahrscheinlich nicht gefallen lassen würde, erschießen. –Ich konnte das nicht fassen!

(Hierzu folgendes: „Ostarbeiter“, in diesem Falle Polen, arbeiteten in hiesigen Betrieben, auch in Fleischereien und bei anderen Handwerkern. LEO von Fleischer Natusch in der Grünstraße und DICKER von Fleischer Schulz im ehemaligen Ketschendorf , verkehrten während ihres gesamten Hierseins familiär in meinem Hause, trotz aller nazistischen Anordnungen – wir richteten es so ein. Beide hatten Wohnungsschlüssel und konnten jederzeit in mein Haus, während ich auf meiner Laube in Ahrensdorf weilte. Meine Frau fuhr des öfteren zu den Familien der beiden Polen – bei Posen und bei Mogilno im ehem. “Warthegau“- und hielt so die Verbindung aufrecht Dieser LEO war bei der jetzt geschilderten Szene zugegen, er konnte Russisch verstehen und auch etwas sprechen.)

Die Worte des LEO machten aber auf die sowj. Soldaten nicht den gewünschten Eindruck. So gab LEO meine Stieftochter als seine Braut aus und brachte sie zur Waldstraße, wo sie bei Bekannten verborgen wurde (vergeblich!)

Mich brachten Soldaten mit Gewalt auf die Straße und hielten mich dort fest. Während dessen wurde in der Wohnung meine Frau von sechs verschiedenen Soldaten brutal vergewaltigt. Sie flüchtete daraufhin wieder in den Toilettenkeller, wo ich sie verbarg und mit Betten versah.

In dem ganzen Durcheinander gelang es anschließend noch einem Mongolen meine Frau im Keller aufzuspüren, es war der Siebente, der sie vergewaltigte in den wenigen Stunden. (Meine Frau kann diese Brutalität bis heute nicht vergessen, zumal eine Verwandte, die sich zu mir als ehemaligen Kommunisten und Mitbegründer der hiesigen KPD geflüchtet hatte, um vor Vergewaltigungen sicher zu sein, an diesem Tage ebenfalls in unserem Haus vergewaltigt wurde.

Meine Stieftochter wurde in der Waldstraße übrigens auch mehrere Male durch sowjetische Soldaten vergewaltigt und – venerisch – angesteckt.

(Ich möchte dazu ausdrücklich erklären, dass es sich nicht um Deutsche handelte, die sich sowj. Uniformen angezogen hatten, um solche Taten zu vollbringen)

(Diese Erklärung hielt Paul Schulze für notwendig, weil es seinerzeit (also auch 1965, als er diese Aussagen machte) zum „guten Ton „ der Genossen gehörte , den sowjetischen „Freunden“ auf keinen Fall derartige Verbrechen vorzuwerfen. Es waren dann immer unbekannte deutsche Täter, die sich in sowjetischen Uniformen getarnt hätten d.Verf.)

Der Mongole hatte im Keller abgeschnallt und seine Pistole (Revolver) liegen gelassen. Das versetzte mich nach allem in berechtigte Furcht, erschossen zu werden, einmal wegen Waffenbesitzes, zum anderen als unbequemen Zeugen für das Geschehene. Ich gehe auf die Straße und sehe einen mir bekannten etwa 12-jährigen Jungen. Ich gebe ihm die Pistole, zeige ihm einen entfernt stehenden Posten und bitte, dem Posten die Waffe zu übergeben.(Meine Wohnung verließ ich nicht, um meine Frau nicht allein zu lassen.)

Der Posten nimmt mich sofort zur Kommandantur seines Truppenteils.(Ecke Thälmann Str./ Liebknechtstr.) Ich wurde dort verhört und erzählte von dem Geschehen in meinem Hause und wie ich in den Besitz der Waffe gekommen war. Die Antwort war folgende: Man lachte sich schallend aus, klopfte mir auf die Schulter und sagte u.a. „Gut,Gut, geh nach Hause !“ (auf deutsch).

3.Chronik der katholischen Kirchengemeinde

Am Sonntag, dem 22.4.45 wurde von 9.00 Uhr ab im Pfarrgarten und an der Kirche gekämpft. Um 5 Uhr nachmittags kamen die ersten Russen in den Keller. Durch deutsche Artillerie wurde der Turm schwer beschädigt; darunter litten sehr die Turmspitze und die Orgel.