Leutnant der Sowjetarmee Leo Ruban

Aus
Wechseln zu: Navigation, Suche

Er war 1945 /46 Herr über Leben und Tod in Fürstenwalde[Bearbeiten]

(aufgearbeitet von Alfred Wegewitz)


Im Stadtmuseum Fürstenwalde schlummert ein Manuskript von über 500 Schreibmaschinen-seiten, das 1966 von der „Kreiskommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der der Kreisleitung der SED Fürstenwalde/Spree“ unter dem Titel „Quelle – Örtliche Arbeiterbewegung 1945/46“ erarbeitet wurde.

Im Vorwort der Arbeit schreibt der Verfasser, Richard Schulz, im März 1966:

"In der vorliegenden Form ist die Arbeit nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, weil in ihr Dinge zur Sprache kommen, die die Öffentlichkeit wenig oder gar nichts angehen.“

Wenn man sich mühsam durch viele Seiten politischer Agitation und einseitigen politischen Wertungen des Manuskripts durchgelesen hat, findet man aber auf Seite 450 den Satz des Verfassers:

„Es wurde nicht alles und längst nicht das Schlimmste über Ruban berichtet.“

Und weiter ein Zitat:

„Alle Einzelheiten waren nur uns Funktionären bekannt. Die Öffentlichkeit durfte davon nichts wissen. Damals stand es uns noch nicht zu, öffentliche Kritik zu üben.“

Das macht natürlich neugierig.

Hier eine Zusammenfassung der Darstellungen über diesen Leutnant Ruban im genannten Manuskript

Beginnend mit dem 22. April 1945 , dem Tag der Erstürmung der Stadt bis zum Jahre 1994 , als die russischen Truppen Deutschland nach der Wiedervereinigung verließen , gab es in Fürstenwalde als Folge des von Hitler-Deutschland angezettelten Krieges gegen die damalige Sowjetunion eine militärische Besatzung durch die sowjetische Armee , der „Rote Armee“, wie sie allgemein genannt wurde.

In den Tagen vom 16. bis 24.April 1945 war die auf Befehl Hitlers unter Führung seiner Generäle von Wehrmacht , Waffen-SS und Volkssturm wie eine Festung verteidigte Stadt Fürstenwalde sinnlos stark zerstört worden. Einerseits geschah dies auf Grund des Hitler-Befehls, den russischen Eroberern nur „Verbrannte Erde“ zu hinterlassen, wobei Brandstiftungen deutscher Soldaten und fanatischer Fürstenwalder Faschisten besonderen Schaden anrichteten. Andererseits gab es aber auch verheerende Folgen direkter Kampfhandlungen und Luftangriffe. In meinen Broschüren: „Ich sah den Dom brennen“ und „Als der Dom brannte“ wird dieses Geschehen der Tage vom 16. bis 25. April 1945 aus der Sicht von mehr als 80 Zeitzeugen geschildert.

(Diese Broschüren sind im Fürstenwalder Dom erhältlich- vertrieben von der St.Marien Domgemeinde zu Fürstenwalde –Domstiftung-.)


Oberst Kytschegin
Das einzige bekannte Bild des Lt.Ruban

Sofort nach der Eroberung des Stadtgebietes wurde der Oberst der Sowjetarmee Kytschegin von seiner Armee zum 1. Stadtkommandanten der vergeblich von deutschen Wehrmachtstruppen, Einheiten der Waffen–SS und dem Volkssturm verteidigten Stadt berufen. Verbindungsoffizier des Stadtkommandanten zur deutschen Bevölkerung und den noch zu schaffenden neuen örtlichen deutschen Behörden wurde der perfekt deutsch sprechende, damals etwa 20 Jahre alte Dolmetscher, Leutnant der Sowjetarmee Leo Ruban.


Das Bild rechts zeigt den Herr.H.J.Gehl als Kind mit seiner Mutter ,Frau Hildegard Gehl-Schöppe vor dem Haus der Großmutter Emma Lebes, in dem Ruban zeitweise einquartiert war. Ruban sieht man zwischen den beiden

Kaum hatten die sowjetischen Truppen, von Norden und Osten her kommend, sich am 22.04.1945 vollständig bis zur Spree durchgekämpft , erschien dieser Leutnant Leo Ruban gegen 14.30 Uhr bei den Altkommunisten Willy Zernike jun. und Willy Zernike sen., die zu den etwa 2000 Fürstenwalder Bürgern gehörten, die trotz der Kampfhandlungen in der Stadt geblieben waren.

Willy Zernicke jun. schrieb am 1.10.1965 in seinen Erinnerungen:

„23.April , Montag früh gegen 8.00 Uhr wurden durch sowjetische Soldaten alle männlichen Einwohner der Stadt straßenweise zusammengefaßt , provisorisch registriert und gezäh. Es ging dabei vor allem darum festzustellen wer Nazi war und wohin sich die Abwesenden verkrochen hatte. Diese Aktion leitete die Politische Abteilung der Roten Armee. Wer nicht Nazi war, konnte wieder gehen. Gegen 14.00 Uhr am 23.April erschien in meiner Wohnung (Küstriner Straße 26) der zur Kommandantur gehörende Leutnant Ruban ,der fließend deutsch sprach. Er brachte mich zur Kommandantur in der Neuendorfer Straße. Dort traf ich auf meinen ebenfalls herbeigeholten Vater Wilhelm Zernike, der Seelower Straße 1 wohnte. Vom Stadtkommandanten Oberst Kytschegin wurde uns beiden gesagt, daß wir beide sofort als Bürgermeister tätig sein müßten und unsere Arbeit am nächsten Morgen zu beginnen hätten.“







Ruban muß irgendwie erfahren haben , daß Vater und Sohn Zernike vor 1933 Mitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) gewesen waren und dadurch für die sowjetische Besatzungsmacht als vertrauenswürdig erschienen. Vom 23.4.1945 bis zur Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8.Mai 1945 , aber auch danach, organisierte Willy Zernike sen. auf Befehl des Stadtkommandanten für die in der Stadt gebliebenen und nach den Kampfhandlungen zurück kehrenden Einwohner die ersten Schritte zum Überleben.

Ausweis Wilhelm Zernickes


Die vielen Geflüchteten der ursprünglich 30 000 Bewohner der Stadt kehrten nach dem Ende des Krieges erst allmählich zurück. Die Straßen wurden nun vom Schutt geräumt, um sie begehbar zu machen. Volksküchen wurden eingerichtet, um die Versorgung der aller Einkaufsmöglichkeiten beraubten Bevölkerung wenigstens einigermaßen zu sichern.

Die meisten Vorräte, entweder der privaten Geschäfte oder des Militärverpflegungslagers waren von den siegreichen sowjetischen Truppen beschlagnahmt und für ihren eigenen Verbrauch verwendet worden.

(Das erste Fleisch, das in den Volksküchen zur Verarbeitung für die Bevölkerung kam, stammte übrigens, in Ermangelung anderer Schlachttiere, von einem Kamel des im Bereich Fürstenwalde „gestrandeten“ Zirkus Althoff)

Da Oberst Kytschegin kein Deutsch verstand, war er vollständig auf seinen Dolmetscher Leo Ruban angewiesen, wenn deutsche Bürger mit ihm sprechen wollten. Lange Zeit vertraute er ihm absolut.

Leutnant Ruban missbrauchte aber sehr bald seine damals unanfechtbare Stellung als Sprachrohr und Mittler des Willens des Stadtkommandanten. Keiner aus der neuen deutschen Verwaltung konnte zum Oberst Kytschegin, ohne mit Leutnant Ruban Kontakt aufzunehmen. Umgekehrt mussten die als kommissarische Stadtbeamte eingesetzten deutschen Bürger dasjenige als Befehl des Obersten akzeptieren, was Ruban als Meinung des Stadtkommandanten –oft verfälscht– von sich gab.

In der Gewissheit dieser einzigartigen Position wurde Leutnant Ruban zu einem Verbrecher und konnte viele Monate lang unbehelligt die Fürstenwalder Bevölkerung terrorisieren.

Richard Schulz, der Verfasser des Manuskripts, erklärt auf Seite 446, dass 100 von ihm befragte Genossen der KPD, die 1945 in Fürstenwalde lebten und mit Leutnant Ruban zu tun hatten, ihn einhellig als „verkommenes Subjekt“, „Schieber“, Hurenbock“ und noch heftiger beurteilt hätten.

Diese Feststellung über den sowjetischen Offizier kann man heute problemlos publizieren. 1945/1946 und viele Jahre danach war es aber für einen in Fürstenwalde lebenden Deutschen nahezu unmöglich, einen Offizier der sowjetischen Armee derartig zu beschuldigen, ohne eine drastische Bestrafung zu riskieren.

Ein noch größeres Tabu gab es für die kommunistischen Funktionäre, mit denen nach 1945 alle entscheidenden Positionen in der städtischen Verwaltung besetzt worden waren. Für sie war die Wahrung des untadeligen Rufes der „Sowjetmenschen“ wegen der angeblichen „unverbrüchlichen Freundschaft“ zur “brüderlichen Sowjetunion“ und ihrer Repräsentanten in Fürstenwalde, den Soldaten der Besatzungstruppen, eine Parteipflicht, mit deren Verletzung sie ihre eigene Existenz bedroht hätten.

Um so erstaunlicher ist es, dass 1966 die Mitglieder der Geschichtskommission der Kreisleitung der SED in ihrer Ausarbeitung „Quellen zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Fürstenwalde 1945/1946“, ziemlich unverblümt über Verbrechen von Angehörigen der Sowjetarmee zu berichten wagten. 1966 war bekanntlich das sozialistische System der DDR noch intakt. Der Kritik an der „brüderlichen“ Sowjetunion waren immer noch engste Grenzen gesetzt. Sowohl das Vorwort zu den „Quellen“ als auch die Kommentare zu den einzelnen Fakten, die mit Dokumenten oder Zeugenaussagen unterlegt sind, werden allerdings immer wieder mit dem Hinweis gespickt, dass man auf keinen Fall aus dem Versagen Einzelner einen Schatten auf die großen Leistungen der Sowjetunion nach Beendigung des Krieges fallen lassen darf.

Aus diesen Passagen ist deutlich die Befürchtung des Autors zu spüren, der Verunglimpfung der Sowjetunion bezichtigt werden zu können. Er hat deshalb auch ausdrücklich darauf verwiesen, dass seine Ausarbeitungen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und nur für den internen Gebrauch in der SED gedacht seien.

Diese Vorbehalte sind nach dem Ende der DDR weggefallen. Es geht heute nur um die geschichtliche Wahrheit.

Zur richtigen Einordnung der Geschehnisse der Jahre 1945/46 in Fürstenwalde muss zunächst auf örtliche Besonderheiten hingewiesen werden:

1. Fürstenwalde war, neben Berlin und Frankfurt(O), der Hauptort für die Rückführung der sowjetischen Millionenarmee samt Waffen, Ausrüstungen, der vielen Panzer und Geschütze und sonstigen Fahrzeugen. Jeden Tag kamen nach   Ende des Krieges tausende und aber tausende Soldaten, die auf den Abtransport warteten, nach Fürstenwalde. Sie lagerten nicht nur in Gebäuden, sondern in allen möglichen Unterkünften und auf den Straßen oder Freiflächen. Dies dauerte bis in den Spätsommer 1945 hinein. Es kam in dieser Zeit zu besonders vielen Übergriffen auf die deutsche Zivilbevölkerung, wie Vergewaltigungen, Diebstählen u.a.m. Die örtliche russische Kommandantur war diesen chaotischen Verhältnissen oft nicht gewachsen, auch wenn sie zeitweise mit äußerster Härte gegen ihre eigenen Leute vorging. 

Bereits am 10.05.1945 hatte Oberst Kytschegin in der ersten öffentlichen Einwohnerver-sammlung erklärt: „Die Regierung der Sowjetunion hat angeordnet, dass alle Soldaten, die Plündern oder Frauen belästigen, mit strengsten Mitteln zu bekämpfen sind. Die Deutschen Bürger sollten ihm alle derartigen Vorkommnisse melden. Er hätte bereits wegen derartiger Übergriffe sechs Todesurteile gegen sowjetische Soldaten gefällt.“ Der Veteran Felix Gierke berichtet, dass Oberst Kytschegin in seiner Gegenwart eigene Soldaten körperlich gezüchtigt hat.

2. Fürstenwalde wurde auch Sammelpunkt vieler ehem. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener, die von hier aus in ihre Heimat zurückgeführt werden sollten. So spricht man von etwa 1000 Italienern, Hunderten von Rumänen, Ungarn und Ukrainern und etwa 600 Französischen Kriegsgefangenen, bis zum 07.07.1945 in Fürstenwalde blieben. Alle diese verschiedenen Gruppen hatten eigene Lager mit eigenen Lagerchefs, die jedoch nahezu ohnmächtig den Plünderungen und sonstigen Übergriffen ihrer Landsleute gegenüber standen.

Die Stadt sah zu dieser Zeit aus, als wenn eine Heuschreckenplage sie überfallen hätte.(Aussage eines Zeitzeugen)

3. “Die Gesamtzusammenstellung der Zerstörungsgrade aller Gebäude in Fürstenwalde, die 1945 in 2- monatiger „Begehung“ durch das wieder eingerichtete Stadtbauamt erarbeitet wurde, weist aus: rd.  2.900 erfaßte Gebäude
Reg._Nr. Zustand
Anzahl
Anteil
0 unbeschädigt
91
3,1 %
1a leichter Dachschaden ohne Holzschäden
1322
44,3 %
1b leichter Dachschaden mit Holzschäden
122
4,3 %
2a großer Dachschaden ohne Holzschäden
91
3,1 %
2b großer Dachschaden mit Holzschäden
284
9,9 %
3a Öffnungsschaden, nur Glasschaden
1988
68,5 %
3b Öffnungsschaden, auch Holzschäden an Fenstern
1231
42,4 %
3c Öffnungsschäden, auch Holzschäden an Türen
1603
55,3 %
4 Dachstuhl völlig abgebrannt
1
0,03 %
5a Dach und Balkenlage verbrannt, Wände erhalten, Decke über Obergeschoss massiv
31
1,1 %
5b wie 5a Dach über Erdgeschoss massiv
32
1,1 %
5c wie 5a, Kellerdecke massiv
39
1,3 %
6a kleinere Sprengschäden der Wände
577
19,9 %
6b große Sprengschäden an den Wänden,von diesen Gebäuden - vor allem 6b - musstenspäter bei genauerer Untersuchung ein sehr großer Teil abgerissen werden.

Die hier aufgeführten völligen Zerstörungen sind deshalb nicht vollständig

285
9,8 %
7 Verschiedenes (Beschreibungen über Möglichkeiten der Reparatur
n. E.
%
8a Gebäude vernichtet aber Keller erhalten
72
2,5 %
8b Gebäude vernichtet aber Keller teilweise ehalten
96
3,3 %
9 Gebäude restlos bis zum Fundament vernichtet
136
4,7 %


Die meisten völligen Zerstörungen erlitten die großen Häuser im Stadtinneren mit den vielen Wohnungen .Zum Stadtrand wurden die Zerstörungen immer leichter.“


4. Die Ernährungssituation für die Bevölkerung war ähnlich katastrophal. Nähere Angaben hierzu würden den Rahmen der Schrift sprengen.


Unter Ausnutzung dieser chaotischen Verhältnisse entwickelte sich das Tun des Lt.Ruban

Die Liste der Untaten des Leutnant Leo Ruban ist lang. Er ging gelegentlich auch gegen seine eigenen Landsleute vor. Als ihm ein Diebstahl, verübt durch einen sowjetischen Soldaten in Ausbau Ost gemeldet wurde, ging er brutal gegen den angeblichen Täter vor, ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern schoss ihn vor den Augen des Paul Schreiber, der dies 1965 bezeugte, nieder.

(Paul Schreiber habe ich persönlich gekannt und zweifele deshalb nicht an der Richtigkeit dieser Aussage – d. Verf.)


Deutsche Frauen waren für Leutnant Ruban Freiwild

1965 fand Richard Schulz, der Autor des Manuskripts, eine Akte mit 150 bis 200 Kopien von Strafanzeigen gegen sowjetische Soldaten wegen Vergewaltigungen und anderen Gewalttaten, bis zu Morden.

„30-40 davon beschrieben immer den gleichen Unhold, der in einfacher Uniform steckte und fließend deutsch sprach. Das war Leutnant Ruban.“

Einige Durchschriften dieser Strafanzeigen (etwa 30) sollen erhalten geblieben sein. Sie konn-ten bisher nicht gefunden werden. Die Suche in verschiedenen Archiven ist bisher ergebnislos geblieben. Der Rest wurde offenbar von übereifrigen SED-Funktionären vernichtet.

Natürlich fand wegen dieser Anzeigen keine Strafverfolgung statt, denn die inzwischen einge-richteten deutschen Behörden wagten es nicht, diese Vorwürfe der Kommandantur zu über-geben. Sie wären zwangsläufig dem Dolmetscher – also dem Täter – in die Hände gefallen!

Der Verfasser Richard Schulz schreibt:

„Der tollste Fall war übrigens der, dass Ruban am hellerlichten Tag gegen 14.30 Uhr eine Frau packte und sie in der Nähe des heutigen Rates des Kreises (Trebuser Straße) ins Gebüsch zog und dort vergewaltigte. Nach der Schilderung in der Anzeige 10 m von der Straße entfernt.“

Er, als Verfasser, der sich der Bedeutung dieser Angaben voll bewusst ist, sei bereit, zu beeiden, dass er die diesbezügliche Anzeige selbst gelesen habe.

Leutnant Ruban nutzte seine Allmacht auch zu sexuellen Nötigungen aus.

„Die Frau oder die Mutter, die etwas von ihm (erreichen) wollte, musste durch sein Bett, auch die Frau des Arztes Dr. P.“

Ein als angebliches „Wehrwolfmitglied“ verhaftetes Mädchen ließ er allerdings frei,

„weil sie sich aus Angst und Verzweiflung gebrauchen ließ.“ 

Frau E. S. , damals 18 Jahre alt , erwehrte .sich seiner Nachstellungen, die er ganz plump und selbstbewußt immer dann unternahm, wenn sie sich – wie es von der Besatzungsmacht von der Bevölkerung verlangt wurde - zum Arbeitseinsatz in der Eisenbahnstraße, Ecke Frankfurter Straße einfand. Als Reaktion auf die Ablehnung, seine Geliebte zu werden , wurde sie auf Veranlassung des Leutnant Ruban in das Internierungslager Ketschendorf eingesperrt. Sie blieb daraufhin mehrere Jahre ohne eine Verurteilung inhaftiert. (mündl. Information der Frau E. S. Leitungsmitglied Initiativgruppe Lager Ketschendorf an mich im September 2006)

Ruban war irgendwann auf Grund seiner Ausschweifungen geschlechtskrank geworden. Er besorgte sich bei einem Heimatbesuch in Rußland entsprechende Medikamente gegen Tripper und Syphilis. Dann zwang er den Bürgermeister Zernicke, ihn zu einem deutschen Arzt zu führen und ließ sich in Gegenwart von Zernicke diese Spritzen verabreichen. Dies wurde von Zernike bezeugt. Zu seinen sowjetischen Militärärzten wagte Ruban sich offensichtlich nicht.

Die erhebliche Verbreitung von venerischen Krankheiten in dieser Zeit in Fürstenwalde soll zu einem erheblichen Teil auf Leutnant Ruban zurück zuführen sein.

Mit seinen Freunden „und Bettgenossen“, den Deutschen Giehren und Schittko, soll er in seiner Wohnung im Stadthaus III, (Zum weißen Schwan) Orgien gefeiert haben. 

Seine deutschen „Liebchen“ waren u. a. die Töchter eines Fleischermeisters M. Dieser Fleischermeister selbst war pikanter Weise auch Rubans freiwilliger oder unfreiwilliger Partner bei Schiebergeschäften. Als dieser Fleischermeister von den deutschen Behörden wegen Meineides und Schiebereien verhaftet worden war, erzwang Ruban umgehend seine Freilassung. Im September 1945 begann die besonders tragische Wehrwolf-Affäre:

Den deutschen Bürgermeister Zernicke erreichte in dieser Zeit ein Brief einer angeblichen im Untergrund arbeitenden Widerstandsgruppe „Blaues S“. Gleichzeitig hingen in der Stadt einige Plakate, in denen gegen die Korruption der deutschen Behörden agitiert wurde.

Kopie des Originalplakats aus dem Archiv des Stadtmuseums Fürstenwalde



Der genannte Brief hatte diesen Wortlaut:

„An den Herrn Bürgermeister zu Fürstenwalde 
Sehr geehrter Herr Bürgermeister !
Sie werden staunen, von uns einen Brief zu erhalten. Aber es ist nun einmal so. Wir haben uns zu einem geheimen Trupp zusammengefunden. Bald werden Sie überall den Namen des „Blauen S“ und unsere Anschläge und Plakate lesen. Bald wird man überall über uns sprechen,     uns suchen und uns nicht finden. Wir werden Ihnen bald wieder eine neue Nachricht zukommen lassen. 
Berlin, den 28.September 1945. 
Das „Blaue S“


Die russische Kommandantur sah in dem Brief , der ihr natürlich sofort vorgelegt wurde , und in den im Stadtgebiet in einigen Exemplaren verbreiteten Plakaten ,die selbstverständlich von der Besatzungsmacht sofort eingezogen wurden , den Beweis für das Wirken einer Nazi-Widerstandsgruppe.

Entsprechend der Tradition und der gängigen Praxis des sowjetisch-kommunistischen Unterdrückungsmechanismus glaubte man , daß derartige Gruppierungen hier nur durch rücksichtslosen Terror gegen jugendliche Deutsche ausgelöscht werden könnten.

Unter Führung des Leutnant Ruban, der in Abwesenheit des Stadtkommandanten offensichtlich eigenmächtig handelte, wurden wahllos 60 Jugendliche als angebliche „Wehrwölfe“, „Provokateure“ und Mitglieder einer Widerstandsgruppe verhaftet.

Man geht heute davon aus, dass ein großer Teil dieser Jugendlichen keine „Wehrwölfe“ waren. Der Treffpunkt dieser angeblichen Widerstandsgruppe soll der Heizungskeller des St. Marien-Domes gewesen sein.

Bekannt ist, (Der Veteran Ewald Tese bestätigte diesen Sachverhalt am 07.11.1965 noch einmal. A.W.) daß die beiden angeblichen Rädelsführer der mutmaßlichen Bande kurz nach ihrer Verhaftung auf dem Hof des Grundstücks des NSDAP-Ortsgruppenleiters und Bürgermeisters ab 1933, Dr. Schultze, (jetzt Dr.-Külz-Str.) erschossen wurden. Einer der beiden Anführer soll ein aktives „Hitlerjüngelchen“ namens Alter gewesen sein. (Die diskriminierende Bezeichnung: „Hitlerjüngelchen“ stammt von dem Autor R. Schulz, der sich 1966 als Leiter der historischen Kommission bei der Kreisleitung der SED offensichtlich von dem bedauernswerten Jugendlichen distanzieren wollte, ohne tatsächliche Fakten zu besitzen.A.W.)

Noch vor ihrer Erschießung sollen die beiden Jugendlichen wieder die Drohung ausgestoßen haben, dass jeder Rotarmist überall dort erschossen werden müsste, wo man ihn träfe – selbst am Tage auf offener Straße.


Der Altkommunist Ewald Tese berichtete ferner aus der Erinnerung:

„Die en bloc verhafteten Jugendlichen, bis auf wenige, sind alle über die Klinge gesprungen, waren tot oder saßen noch in unbekannter Haft“

Auf Seite 440 der „Quellen“ heißt es darüber hinaus:

„Rubans Konzentrationslager, Folter und Erschießungsstätte im ehemaligen Kabelwerk arbeitete präzise und schnell.“

Das sind zwar die Worte des Verfassers Richard Schulz, aber dahinter stehen mit großer Sicherheit Informationen, die selbst er nicht ausführlicher in den „Quellen“ niederzuschreiben wagte. Von dem ehemaligen Internierten G.B. des russischen Speziallagers Ketschendorf, der noch heute aktiv in der Interessengemeinschaft der ehemaligen Internierten tätig ist, wurde mir versichert , daß 1945 zu keiner Zeit 60 Jugendliche aus Fürstenwalde „in einem Schwung“ in dieses Lager eingeliefert worden seien.

Daher ist es wahrscheinlich traurige Gewißheit, daß es ein besonderes, von Leutnant Ruban als kommissarischen Chef der Kommandantur zeitweise eingerichtetes provisorisches Konzentrationslager, die Folter- und Erschießungsstätte im ehemaligen Kabelwerk DEKA, gegeben hat.

Über das Schicksal dieser 60 Jugendlichen gaben die sowjetischen Behörden niemals Auskunft.

Zaghafte, verklausulierte Anfragen von KPD-Genossen, die noch die besten Verbindungen zu der sowjetischen Kommandantur hatten, blieben unbeantwortet.

Die Folgen der Verhaftung und das Verschwinden der 60 Jugendlichen Ende September, Anfang Oktober 1945 konnten auch von den schon existierenden deutschen Behörden und insbesondere den führenden deutschen KPD-Genossen mit ihren engen Kontakten zur sowjetischen Besatzungsmacht nicht verhindert und später aufgeklärt werden.

Alle wagten es nicht, dem Terror des Leutnant Ruban entgegen zu treten.

Immer wenn deutsche Polizisten oder Magistratsangestellte den Versuch unternahmen, sich beratend in die Bearbeitung von angeblichen oder tatsächlichen Angriffen auf die Be-satzungsmacht einzumischen, warf Ruban sie aus dem Zimmer und stieß gegen sie schreckliche Drohungen aus. Worte wie: „Faschist“ oder „Wehrwolf“ waren seine oft gebrauchten Totschlagsargumente, denen sich niemand auszusetzen wagte.

Ruban war der bestgehaßte Mann in der Stadt

Eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung der angeblichen Naziwiderstandskämpfer war der von Ruban ausgegebene Befehl, auf Grund dessen bei „verdächtigen Nazis, sämtliche Radioapparate und Fahrräder zu beschlagnahmen“ wären.

Wer „verdächtiger Nazi“ war, legte er eigenmächtig und willkürlich fest.

Beispiele für Willkürhandlungen des Leutnant Ruban sind auch seine häufigen mutwilligen Eingriffe in die im Aufbau befindliche deutsche Gerichtsbarkeit.

Als eine deutsche Frau (zu der er nach den Vermutungen des Richard Schulz intime Beziehungen unterhielt) wegen einer Mordbeschuldigung von den deutschen Gerichtsbehörden verhört wurde, griff selbstherrlich ein, zerriß das Protokoll des Verhörs und schickte die Frau nach Hause.

Seit Mai 1945 arbeitete in Fürstenwalde ein „Volksgericht“, dass sich auch mit Kapital-verbrechen beschäftigte und, wie bisher bekannt wurde, 4 Todesurteile gegen Tauchnitz, Tauer, Manteuffel und Wichner fällte. Sie waren als die angeblichen Mördern der in der Weimarer Republik 1928 und 1930 getöteten Kommunisten Ehrenfried Jopp und Max Behnke für schuldig befunden worden . Ob diese Urteile vollstreckt wurden , ist nicht bekannt.

(Wolfgang Knoll, der früher in der Querstraße – jetzt Heinrich Zille Straße -- wohnte berichtete mir jetzt, daß der genannte Wichert als Mörder des Kommunisten Max Behnke von einem Gericht in Frankfurt(O) zur Todesstrafe verurteilt und durch das Fallbeil dort hingerichtet worden sei. Die Frau des Wichert hätte auf dem Grundstück seiner Eltern gewohnt ,zusammen mit einem Kommunisten Dube , von dem sie zwei Kinder hatte. Dube habe er mit einer roten Binde am Arm und später in Polizeiuniform in Erinnerung)


Auf Veranlassung Ruban

– man kann sich vorstellen , wie er diese, seine deutschen Genossen unter Druck gesetzt hat -

wurde von der damaligen Fürstenwalder KPD-Leitung mit einem Schreiben an den „Volksgerichtshof“ vom 21.8.1945 die Herausgabe der Akte Giehren, des Freundes von Ruban , gefordert. (S. 450, DO 1148). Mit ihm gemeinsam hatte er seit dem Beginn der sowjetischen Besatzung in Fürstenwalde viele Untaten begangen und wollte ihn offenbar nun vor der Strafverfolgung schützen und wahrscheinlich auch verhindern, daß seine eigene Beteiligung an Straftaten ans Tageslicht kam.

Giehren war ein junger deutscher Mann, der später als früherer Nazi enttarnt worden sein soll. Er stammte aus dem „Warthegau“, und war angeblich Kraftfahrer des dortigen Nazi-Gauleiters gewesen . Als sein Beschützer Ruban 1946 letztendlich verhaftet wurde, floh Giehren aus Fürstenwalde. Über seinen Verbleib gibt es keine Nachrichten.

Ruban selbst wurde Mitte 1946 von einem in Fürstenwalde tagenden sowjetischen Militär-gericht zu 10 Jahren Kerkerhaft verurteilt. Der Bürgermeister W. Zernike sen. war bei diesem Strafverfahren anwesend – wahrscheinlich auf Veranlassung des Obersten Kytschegin , der sich zu diesem Zeitpunkt von seinem Untergebenen Ruban distanziert hatte.

Angeklagt war Ruban jedoch nur wegen Verwicklungen in Schiebereien eines sowjetischen „Wirtschaftsobersten“, also eines Offiziers, der die Reparationsleistungen zu überwachen hatte und für sich selber einen ganzen Güterwagen mit widerrechtlich konfiszierten Möbeln usw. in die Sowjetunion schicken wollte. Der sowjetischen Zoll in Frankfurt (O) hatte dies aufgedeckt, was zum Strafverfahren führte.

Die Untaten von Ruban gegenüber der deutschen Bevölkerung wurden in diesem Militärstrafverfahren nicht verhandelt und gesühnt.

Öffentlich schimpfte und drohte Leutnant Ruban stets gegen „Nazis“, deckte aber ihm genehme Personen, wie Giehren oder Schittko . Er bugsierte sie sogar in verantwortliche Positionen der neu aufgebauten deutschen Verwaltung, z.B. als Verantwortliche für die Lebensmittelbeschaffung der Stadt Fürstenwalde .

Wahrscheinlich ist , daß die Verbrechen des Ruban mit Nahrungsmittelschiebungen im großen Stil begannen.

Es existiert einen Ernährungsbericht des provisorischen Magistrats von Fürstenwalde vom 18.05.1945, angefertigt für den Stadtkommandanten Oberst Kytschegin, der die ganze Misere der Lebensmittelversorgung unmittelbar nach Kriegsende in Fürstenwalde schildert.

Die Rote Armee versprach der Stadtverwaltung zwar täglich vier Tonnen Mehl für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Es wurden jedoch leider immer nur zwei bis drei Tonnen geliefert.


Ab Sommer 1945 haben nach den seit den 60 er Jahren vorliegenden sog. „Veteranen-berichten“, also Erinnerungen der Kommunisten, die 1945 als KPD-Funktionäre und Magistratsmitglieder aktiv waren, Leutnant Ruban und sein deutscher „Kumpan“ Giehren „laufend größere Mengen Lebensmittel verschoben“.

Dies bezeugte z.B. Willy Zernike jun., der 1945 für die Versorgung im Magistrat verantwortlich war.

Die Mehllieferungen, die aus beschlagnahmten Getreidemengen stammten, wurden von der Stadtkommandantur der Roten Armee der Stadtverwaltung Fürstenwalde in Rechnung gestellt. Für den Zeitraum von April bis Juni 1945 belief sich die geforderte Summe auf 149.199,57 RM, wie sich aus der vorhandenen Rechnung vom 12.12.1945 ergibt.

So viel Mehl wurde – nach damaligen Preisen berechnet – niemals geliefert.

Die Berichte des Richard Schulz über den Dolmetscher Leutnant Leo Ruban enden mit der Feststellung:

„Jetzt kann vielleicht eingewendet werden, die Veteranen hätten übertrieben, würden sich irren usw. Es wurde längst nicht alles und längst nicht das Schlimmste über Ruban berichtet, obgleich man bestimmt heute [1966 !] noch 4.000 bis 5.000 Menschen über Ruban befragen könnte.“ S.450

(Ende der Zusammenfassung über die Untaten des Leutnants Leo Ruban.)